4. Stremel: Planlose Pläne

Als Jan wieder im Gastraum stand, hörte er wildes Geschrei aus der Seite, wo seine angebrochenen Getränke standen. Doro stand dort und fuchtelte mit einem riesigen Kochlöffel aus blankem Metall in Richtung eines Mannes. Der hielt sich eine Hand, auf die er wohl einen schmerzhaften Schlag von Doros Küchenutensil bekommen hatte.

Scheer dich sofort raus, du elender Lump. Ich geb` gerne mal einen aus, aber fragen kann man ja wohl noch. Diese Getränke gehören meinem Freund und wenn du noch einmal hier reinkommst, dann hau ich dir einen auf den Schädel und nicht auf die Hand!“

Als der Fremde Jan kommen sah, verließ er fluchtartig das Lokal. Doro sah Jan an und meinte: „Auf den Ärger muss ich auch erst mal was trinken. So ein Penner. Setz dich, Jan, wir stoßen an auf gute Geschäfte.“

Wieso weißt du…“, ehe Jan die Frage zu Ende brachte antwortete Doro: „Was du nicht weißt, macht dich nicht heiß, im Gegenteil, du bleibst am Leben.“

Na gut, dachte Jan. Frag ich nicht weiter. Aber eine peinliche Befragung durch irgendwelche Freunde von Fiete oder Schweine Erwin würde wahrscheinlich auch nicht mein Hobby werden. Dann erzählte er sich mit Doro Geschichten aus alten Zeiten, und als Bier und Sekt leer waren, war es auch fast 8 Uhr Abends.

Vielen Dank für alles, Doro. Ich geh dann lieber nach Haus. Das Wetter war schon den ganzen Tag dunkel und der Wind scheint Sturm geworden zu sein.“

Ich verstehe das Jan; aber du musst versprechen, einmal wieder reinzuschauen. Wenn du kein Geld hast, komm gleich zu mir und wir reden, was wir machen könnten.“

Alles klar, Doro. Schönen Abend noch!“

Der Wind war tatsächlich zum Sturm geworden. Er rauschte in den wenigen Bäumen und machte seltsame Töne an einigen Dächern. Auch hörte es sich so an, als ob das Blechdach des goldenen Schellfisches eine besondere Melodie probieren wollte. Jan wollte sich beeilen, nach Hause zu kommen. Er musste aber auf den Weg achten, denn zwei mal war er schon gestolpert. Eine kleine Entfernung von vorn kam ihm eine ziemlich breite Gestalt entgegen. Er konnte nicht genau ausmachen, ob es Mann oder Frau war. Schon war die Angst wieder bei ihm. War es ein Gangster, der auch Geschäfte mit Fiete machen wollte? War es die Polizei, die ihn verhaften wollte. Hatte sie einen Tipp von der Ermittlerin bekommen. Jan versuchte, seine Gedanken im Zaun zu halten. Wenn ihn einer verraten hätte, konnte es nur einer sein, der selbst mit drin steckte. Die breite Gestalt kam näher und Jan erkannte zwei Frauen, die wohl zum Ausruhen oder Aufwärmen in den goldenen Schellfisch strebten und sich gegenseitig stützten. Besonders an ungeschützten Stellen konnte der Sturm einem den Atem rauben. Plötzlich knallte es wie aus einem Maschinengewehr. Die Fahne, die er schon auf dem Hinweg bemerkt hatte, knatterte wie eine automatische Waffe,  viel lauter als auf der Tour hier her. All diese Geräusche schickten Jan in ein Wechselbad der Gefühle. Erst als er den Mühlenbach erreicht hatte, der kein Bach sondern eine Straße war, konnte er sich ein wenig beruhigen. Dort fühlte er sich etwas sicherer, obwohl es dazu keinen Grund gab. Auch dort konnten Ziegel von den Dächern fallen und ihn treffen. Aber so ist es nun mal: Die größte Angst erschafft das Unbekannte.

Er überquerte die Budapester Alle und war in der Moltkestraße angekommen. In seiner kleinen Pantry Küche setzte er sich Wasser für einen heißen Ingwer Tee auf und nahm sich vor, einen großen Schluck Rum da hineinzugeben. Allerdings verwarf er den Gedanken wieder aus Furcht, zusammen mit seinem Getränkekonsum aus dem goldenen Schellfisch könnt ihm das zur Volltrunkenheit gereichen. Außerdem war der Rum als Medizin gedacht, wenn er mal richtig erkältet wäre. Diese halbe Literflasche war nicht für den Genuss bestimmt. 

Aus übertriebener Vorsicht zog er alle Vorhänge seines Wohnzimmers vor, ehe er die Pistolen näher betrachtete. Die beiden Handfeuerwaffen waren nicht erkennbar manipuliert. Bei beiden war die R. Nummer noch voll erkennbar. Etwas älter schienen sie schon zu sein, aber man konnte sie einfach zerlegen, reinigen und wieder montieren. Der Stahl hatte keine Schrammen oder Riefen. Es klemmte nichts.  Die Griffschalen wiesen schon einige Gebrauchsspuren auf. Jan dachte nach ob er den Freunden die Tatsache mit den abgeschliffenen Schlagbolzen erzählen sollte, oder ob er sie besser im Unklaren ließe. Jetzt würde er erst einmal die Pistolen wegpacken und er sah sich nach einem Versteck um. Es fiel ihm nichts besseres ein als beide in ein Geschirrtuch zu wickeln und in seinem Schlafzimmer auf den Kleiderschrank zu platzieren. Er schob sie ganz nahe an die Wand, damit niemand von unten etwas sehen konnte. Dann trank er genussvoll seine Tasse Tee und schaltete den Fernseher ein. Nach den 9 Uhr Nachrichten fand er nichts interessantes mehr und machte sich fertig zum Schlafen. Am kommenden Tag wollten die Freunde kommen und bestaunen, wie der Jan zum Waffenhändler geworden war. Ich brauche nicht nüchtern zu sein, dachte Jan, aber ausgeschlafen wäre sehr von Vorteil.

Am Mittag gab es bei Jan ein Fertiggericht mit dem Titel: Deftiger Eintopf. Deftig war daran der Wasseranteil, aber es machte satt. Diesmal war es keine Blechdose sondern ein hitzebeständiges Plastikteil. Aber auch da dauerte der Abwasch nur Sekunden. Der Löffel wurde wieder gespült und der Plastiktopf entsorgt. Nach seinem einfachen Mahl  wollte Jan grade die vierzehn Uhr Nachrichten anschauen als es  klingelte. Die Kollegen standen vor der Tür.

Hallo Jan, hast Du Kaffee im Haus“, immerhin hatte Dieter hallo gesagt. Ansonsten war es eine recht formlose Begrüßung.

Also für 3 Tassen wird es noch reichen, für eine Hochzeit ist es wohl zu wenig!“ Jan wunderte sich, dass man nach Kaffee fragte, wo doch sonst immer der geschenkte Wodka der Favorit unter den Getränken war.

Wir haben nämlich Kuchen geschenkt bekommen“, klärte Werner auf und nun wollen wir mal richtig wie bei Muttern Kaffee trinken.

Habt ihr den wirklich geschenkt bekommen, oder ist der irgendwo an euch haften geblieben?“ Zur Sicherheit fragte Jan nach. „Kommt doch erst `mal rein und setzt euch hin. Ich habe übrigens gestern eine Lektion in herrenlosen Gegenständen bekommen und weiß nun, wie man Besitz darüber erlangt.“

Eine Dame aus dem Altersheim hatte Geburtstag und viel zu viel Kuchen von ihren Enkeln bekommen. Da hat sie uns eingeladen und wir haben gefragt, ob wir stattdessen ein paar Stücke mitnehmen können. Da hat sie uns mehr gegeben, als wir heute aufessen können.“ Werner fasste es in wenigen Worten punktgenau zusammen. Dann aber fragte er neugierig: „Nun zeig doch mal unser Arsenal.“

Jan wollte gerne erst einmal mit Dieter abrechnen, damit er seine 600 Euro wieder bekäme, die für die Bewaffnung ja nicht ausgegeben wurden.

Ja Jan, zeig mal her den Kram. Bin schon sehr gespannt. Wie ging dir das denn in der Mördergrube?“ Dieter war sehr neugierig und wollte es auch nicht verbergen. Jan verstand das, denn schließlich war es sein Geld. Darum sagte er in die Runde:

„Es ist keine Mördergrube, nur weil die Nutten sich da frisch machen und der Händler da sitzt. Und auf Doro lasse ich sowieso nichts kommen. Die ist schwer in Ordnung.“ Nach einer kleinen Pause fuhr er fort: „Ich habe 500 Euro für 2 Pistolen Walter PP ausgegeben. Das war das einzige, was wir uns leisten können. Daher hat der Dieter noch 600 Euro, die ich hiermit zurück gebe. Bitte nachzählen Dieter.“

Während Dieter das Geld zählte, holte Jan aus dem Versteck die beiden Pistolen. Als er sie aus den Tüchern gewickelt hatte, spiegelten die Gesichter der anderen beiden ein wenig Enttäuschung wider.

Der Fie..“, beinahe hätte Jan den Namen erwähnt, aber dann bekam er noch die Kurve, „der Verkäufer hat mir versichert, dass es echte Waffen sind. Ich habe sie schon auseinander genommen und wieder montiert. So gesehen sind sie einwandfrei.“

Und was für einen Mangel haben sie, wenn sie so gesehen einwandfrei sind.“ Da war der Werner aber neugierig. „Und wo hast du die Munition?“

Wir brauchen keine!“ Jan ließ die Katze aus dem Sack. Einen Moment war es ganz still. Man hörte nur den Verkehr von der Straße.

Dieter griff nach einer der Waffen und stellte erstaunt fest:“ Mensch, sind die Dinger schwer! Nu sag aber mal, warum brauchen wir keine Munition?“

Es ist doch so, Leute: Wir alle haben keine Übung im Umgang mit Waffen. Eher wir einen von uns totschießen, lassen wir es lieber. Man kann auch jemanden Fremdes unbeabsichtigt erschießen. Die Pistolen sehen echt aus und sind echt. Jeder, auf den gezielt wird, muss damit rechnen, dass gleich der letzte Knall kommt, den er je hören wird.“ Langsam hellten sich die Gesichter der anderen beiden wieder auf. Jan fragte noch provokant: „Oder wollt ihr ein Blutbad anrichten?“

Das wollte keiner. Jan hatte aber noch etwas zu sagen: „Nehmt es nicht auf die leichte Schulter. Wenn ihr auf jemanden zielt und der ist selbst bewaffnet, dann seid ihr dran. Niemand – auch kein Fachmann erkennt, dass man mit den Waffen nicht schießen kann.“

Die Gesichter wurden jetzt ernster und Jan packte die Pistolen wieder in ihr Versteck. „Was meint ihr, wollen wir jetzt erst einmal Kaffee trinken wie bei Muttern?“ Der Vorschlag fand allgemeine Zustimmung.

Ich habe zwar 3 Tassen im Schrank, aber keine Kuchenteller. Ihr müsst schon mit normalen flachen Essgeschirr Vorlieb nehmen.“ Dieser Satz von Jan erzeugt eine gewisse Heiterkeit unten den Angesprochenen.

Wir werden dich nicht auf Komfort verklagen.“ Werner hatte auch gute Laune. Beim Kaffee trinken war Dieter ein wenig neugierig: „Nun erzähl doch mal was über den Handel in der Kneipe.“

Nee Dieter, es ist besser für Euch und für mich, wenn ihr nichts darüber wisst. Ich habe der Wirtin aber versprochen, wenn wir mal Geld in die Finger bekommen, dann komme ich mal mit Euch allen dort vorbei.“

Gut, gut, lassen wir das. Aber wo gehen wir denn nun hin und zeigen die Dinger vor, damit uns jemand Geld dafür gibt?“ Dieter hätte es gerne gewusst. „Und warum sind es nur 2 Ballermänner. Wir sind doch drei Leute.“

Manche wollen aus den Karten ihr Schicksal lesen…Ob das klappt, hängt wohl eher von ihnen selbst ab.

Einer muss ja nur gucken. Der braucht keine Waffe, das würde nur auffallen. Und ich würde vorschlagen, dass du das machst, Dieter.“ Jan blickte ihn fragend an. Ehe Dieter protestieren konnte fuhr Jan fort: „ Es ist ja möglich, dass bei unserer Bank 2 oder 3 Stufen zu bewältigen sind. Das wäre für dich eine Quälerei. Aber auf einer Parkbank sitzen und alles genau beobachten, dazu bist du genau der Richtige.“ Nun fühlte Dieter sich besser und er fragte nur noch:

Was macht ihr beide denn?“ Werner meldete sich auch zu Wort: „Wer geht denn nun rein zum Kassierer oder der Kassiererin und zeigt die Pistole vor?“

Jan meldete sich indem er den Finger wie in der Schule in die Luft hob: „Ich möchte einen Vorschlag machen: Ich maskiere mich und gehe rein. Ich werde auch als einziger eine Pistole mitnehmen. Werner steht draußen und hindert etwaige Besucher am hineingehen. Dieter sitzt auf der Bank mit einer Zeitung und einer Trillerpfeife. Wie gesagt, das ist ein Vorschlag.“

Wie soll ich denn die Leute am Eintreten hindern, wenn ich keine Pistole habe?“ Das hätte Werner gerne gewusst.

Du sollst die Leute nicht totschießen, sondern mit Worten überzeugen. Das hast du doch gelernt. Sag einfach, es ist eine ätzende Flüssigkeit ausgelaufen und deine Reinigungskolonne müsse den Kundenraum erst säubern. Oder so etwas in der Art. Gut wäre auch, wenn du einen ausländischen Dialekt nachmachen könntest. Für normale Leute gibt es dabei ja keinen Unterschied von Warschau bis Wladiwostok. Das bekommst du schon hin.“ Jan lief richtig zu Höchstform auf mit seinen Ideen.

Man könnte denken, dass du das schon einmal gemacht hast“, bewunderte ihn Dieter.

Dann meinte Werner: „Jetzt könnte ich gut einen kleinen Wodka vertragen. Haben wir noch etwas von Schweine-Erwins Geschäftsvorschlag?“

Das haben wir“, Jan holte die Flasche aus dem Kühlschrank. Dann fuhr er fort: „Ich habe aber leider keine passenden Gläser. Mein Vorschlag: Jeder gießt sich einen Daumen breit in seine Kaffeetasse. Es heißt doch immer: Hoch die Tassen.“

IN VINO VERITAS“, zitierte Werner. „Im Wein liegt Wahrheit wussten schon die Römer. Wodka haben sie sicher noch nicht gehabt.“

Je weiter sie den „Daumenbreit“ ausgetrunken hatten, desto einleuchtender und einfacher schien die Sache zu werden. Schließlich fragte Dieter, ob man denn morgen schon starten wolle.

Diesmal hatte Werner eine Idee: „Nee, Mensch, wir müssen uns  doch erst mal  umschauen, wann denn viel Geld da sein könnte. Dann müssen wir uns die Verkehrsverbindungen aufschreiben, damit du bequem wieder weg kommst,“ sagte er zum Dieter gewandt.  „Jan und ich müssen vorher festlegen, wie wir zu Fuß durch den Friedhof und zur Budapester Allee kommen. Es ist wohl besser, wir gehen einzeln, jeder für sich.“

Eine Woche lang müssen wir feststellen, um welche Uhrzeit der Panzerwagen vorfährt. Schließlich wollen wir vor ihm kassieren“, stellte Jan lakonisch fest.

Nach der Kaffeetafel und der Daumenbreite Wodka war man in gelöster Stimmung. Schließlich waren sie dabei, an einer besseren Zukunft zu basteln. Jan und Dieter würden wohl einen großen Teil ihrer Probleme mit Geld lösen können. Werner dachte im Stillen an die eine oder andere frühere Kollegin am Theater. Es gab da sicher auch einige Zicken, aber der überwiegende Teil waren nette Frauen, Damen in jedem Alter. Seien sie nun Schauspielerinnen, Maskenbildnerinnen, Souffleusen, Garderobieren oder mit anderen Tätigkeiten betraut. Mit einem tiefen Seufzer beendete Werner seinen gedanklichen Ausflug in eine bessere hoffentlich nicht mehr ferne Zukunft. Unwillkürlich stoppten die anderen beiden ihre Unterhaltung und schauten zu ihm hinüber: „Ist irgendwas, Werner?“

Nee, lass mal, alles gut!“

 

wird fortgesetzt nämlich hier:

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3. Stremel: Im goldenen Schellfisch

3. Stremel: Im goldenen Schellfisch 

Auftragsgemäß machte Jan sich am Nachmittag auf „Zum goldenen Schellfisch“, einer dunklen Hafenspelunke. Das Gebäude lag nahe dem Ende jeder menschlichen Besiedlung im Bereich von  Rangiergleisen der Hafenbahn. Jan glaubte sich zu erinnern, dass es ein ehemaliger Lokschuppen gewesen sein sollte. Es regierte eine dicke Wirtin dort, welche wohl lange Zeit ein horizontales Gewerbe ausgeübt hatte. Sie selbst sprach aber davon, dass sie einmal als Tänzerin im – Muhleng Rutsche – gearbeitet habe, womit sie wohl das Moulin Rouge in Paris meinte .

Glaubte man den Gerüchten, dann war sie als sehr „durchsetzungsfähig“ bekannt. Ihr Mann bekam regelmäßig Prügel, wenn er betrunken in die Kneipe kam.  Dort wollte Jan den Fiete treffen und  Waffen für die Opa- Gang besorgen.

Der Gastraum war eine ehemalige Kantine für Bahnarbeiter. Es standen noch immer längliche nackte Holztische aufgereiht im Raum. An jedem Tisch waren 6 Sitzplätze auf Holzbänken mit primitiven Lehnen aus einem einzigen Brett. An einer Wand sah man  4 große Industriefenster mit Sprossenscheiben. An der anderen standen als Deko zwei große Räder aus Metall mit roten Speichen und ein kleineres komplett in schwarz. Das schienen original Räder einer Dampflokomotive zu sein. Die großen Räder hatten blanke Stahlringe als Spurkränze. Jan fand das sehr dekorativ. Am Ende des Raumes war neben dem Ausschank eine Wand mit Türen. Wahrscheinlich waren es Toiletten oder Waschräume.

Der Geruch des Raumes war nicht einmal unangenehm. Wohl lag ein leichter Duft von abgestandenem Bier in der Luft, aber hauptsächlich roch es nach verschiedenen Parfums.

Da kam auch schon Dorothea, die Wirtin auf Jan zu. „Mensch Jan, dich hat man ja lange nicht gesehen. Warum kommst du nicht mehr? Sind wir dir nicht mehr fein genug?“

Sie roch, als habe sie gerade eben in Kölnisch Wasser gebadet und kam so dicht an Jan heran, dass eine ihrer riesigen Brüste seinen Arm berührte.

„Doro, ich wäre gern öfter gekommen, aber seit ich Rentner bin, komme ich grade so über die Runden.“ Jan spürte in ihrem Atem einen leichten Duft nach Eierlikör oder Amaretto. Das konnte er nicht so genau mehr auseinanderhalten. Früher war er Experte gewesen in der Deutung von verzehrten Spirituosen nach Gerüchen im Atem. Mag sein, dass sie von beiden Spirituosen etwas genascht hatte.

„Ach Jan, das tut mir leid. Komm wir setzen uns an den Tisch da vorne und du erzählst mir alles von Deinem Kummer. Ich gebe einen aus.“ Dorothea schien sich zu freuen, den Jan mal wieder zu sehen.

An einigen anderen Tischen saßen Frauen in aufgedonnerter knapper Kleidung und stark geschminkt in kleinen Grüppchen zusammen. Jan wusste, dass hier der Straßenstrich von der Budapester Allee zu Gast war. Die Frauen benutzten die Waschräume zum umkleiden oder schminken und tranken schnell mal im Winter etwas warmes, im Sommer was kaltes. An einigen Tischen saßen auch Männer oder ein Mann mit den Frauen, aber Männer allein waren kaum zu sehen. Die Tische waren auch höchstens zur Hälfte besetzt.

Doro kam wieder mit 2 halben Liter Weißbier und meinte munter mit ihrem platt eingefärbten norddeutschen Einschlag: „Ischa woll deine Lieblingsmaake. Nu erzehl aba ma. Prost!“

Jan nahm einen tiefen Zug. Man sah ihm an, wie lange er das vermisst hatte.

„Ja, weißt du Doro, ich wollte eigentlich den Fiete sprechen. Vielleicht will ich ja mal was kaufen. Ich komme im Auftrag von 2 Freunden. „

Doro zog die Augenbrauen und die künstlichen Wimpern hoch, dass diese fast den Haaransatz berührten: „Jan Daballer! Bist du denn total verrückt geworden? Geschäfte mit Fiete kannst du nur machen, wenn vorher feststeht, dass alles klappt. Ein Fehler und du bist ein toter Mann. Deine Kumpels wahrscheinlich auch. Glaub ja nicht, dass du bei dem Kredit kriegst.“

Ein wenig schien sie beleidigt zu sein. Sie starrte in ihr Bierglas.  Nach einer kleinen Pause fügte sie leise hinzu: “ Ich hatte gehofft, dass du meinetwegen gekommen bist. Wieder mal ein schönes warmes Stück Mutterfleisch befummeln…“

Jan sah seine Felle wegschwimmen und wollte was nettes sagen: „Doro, wenn es mir finanziell besser geht, dann komm ich wieder jede Woche zu dir. Ganz bestimmt. Dann holen wir alles nach. Was wird denn dein Mann dazu sagen?“

„Mach dir darum keine Sorgen. Wir sind ja nicht verheiratet. Um meine Männer kümmere ich mich selbst. Ich hab nur Sorgen um Dich. Man munkelt nämlich, der Fiete gehört einer   `ehrenwerten Gesellschaft` an. „

Natürlich wusste Jan, dass damit die Mafia gemeint war. Das brachte ihn für einen Moment ins Grübeln. Dann sagte er sich aber dass viele bei der Mafia,  Narkotika kaufen. Die Mafia wird ja nicht alle ihre Kunden umbringen. Dann meinte er lakonisch: „Doro, ich will bloß  was kaufen, bezahlen, abhauen und ende.“

Weil Jan mit dem Rücken schräg zu der Ecke des Raumes saß wo der Eingang war bekam er den gerade eintretenden Ankömmling nicht in den Blick. Doro konnte ihn aber genau sehen. Ein kleiner dicklicher Mann, höchstens einen Meter und fünfundsechzig groß, vielleicht 90 kg schwer mit rundem, fast lustigem Gesicht und einer Plastiktüte in der Hand ging quer durch das Lokal und setzte sich allein an einen Tisch in der Nähe der Türen. Es waren eine Menge Türen und wenn 2 zu den Toiletten führten, wohin würden die anderen wohl gehen.

„Das ist Fiete“, sagte Doro leise, „guck nicht so auffällig da hin.“ 

Jan versuchte, so unauffällig wie möglich in die Richtung des Tisches zu schauen. Der Neuankömmling sah nicht besonders gefährlich aus, aber wenn er eine bestimmte Sorte von Freunden hatte, dann braucht er auch kein „Abwehrgesicht“.

„Kann ich denn einfach so quer durch zu ihm gehen?“

„Warte, ich komme mit !“ Doro stand auf und sie gingen beide durch den Raum auf den Tisch von Fiete zu.

Doro stellte Jan vor: „Das ist Jan, der früher öfter hier war, jetzt will er eventuell etwas kaufen.“

Fiete blickte nicht von seinem Handy auf. „Du wisst wat köpen? Wer het di to mi schickt?“

„Schweine – Erwin aus der„ Ankerwinde„“. Jan verstand Plattdeutsch, traute sich aber nicht zu sprechen. Dorothea verließ den Tisch. Sie wollte lieber nichts hören. Dann könnte sie  später auch nichts sagen.

Fiete schaute immer noch nicht hoch. Dann artikulierte er in akzentfreiem Deutsch: „Das ist eine gute Empfehlung. Hat er dich auch drauf aufmerksam gemacht, dass ich keine Spinner mag?“

„Ich mach  auch nur ehrliche Geschäfte: Hier das Geld, hier die Ware und weg. Keiner kennt den anderen oder hat ihn je gesehen.“

„Set di hen, mien Jung. Wir werden ins Geschäft kommen. Was brauchst du?“

„Ich wollte mal nachfragen, wieviel MP ich mir leisten kann. Am liebsten Häckler & Koch oder Beretta, zur Not auch Kalaschnikov“. Jan hatte ja keine Ahnung von Preisen.

„Eine Kalaschnikov kannst du schon für 5000Euro kriegen, die anderen sind teurer.  Braucht ihr auch Munition?“

„Verdammt, soviel hab` ich nicht. Ich brauch was billigeres. Was gibt es denn sonst noch was knallt und stinkt.“

Nach dieser Antwort schaute Fiete hoch und musterte Jan von oben bis unten. Dann meinte er: „Du bist eher die Walter PP Klasse. Vielleicht noch eine schöne Para bellum. Auch eine alte 08 sieht immer schön gefährlich aus.  Du gefällst mir. Mein Angebot: 2 Stück Walter PP, die sind oft noch bei der Polizei in Gebrauch und 550 Euro für beide. Die Parabellum macht euch sowieso eure alten Handgelenke kaputt.  „

Jan brauchte einige Sekunden zum Grübeln. – „Sind die Magazine voll?“ Damit wollte er ein wenig Sachverstand suggerieren.

„Die Schlagbolzen sind abgeschliffen. Man kann damit nicht schießen, also braucht das Magazin nicht voll sein. So viel mir der Schweine Erwin erzählt hat, wollt ihr nur jemanden erschrecken. Es ist für uns alle sicherer, wenn ihr niemanden damit erschießen könnt. „

Nun brauchte Jan noch mehr Sekunden zum Nachdenken. War es so wie Doro schon angedeutet hatte? Dass der Schweine – Erwin und der Fiete sich kannten war ja klar. Hatten die schon miteinander gesprochen? Waren die beiden Mitglieder eines Clans oder einer „Familie“. Dann sagte er tapfer: „Wenn das nur Museumsstücke sind, warum können die uns dann nützen?“

Fiete schaute nicht von seinem Handy auf. Was er wohl da interessantes vorhatte? Er sagte ganz ruhig, es klang wie beiläufig: „Es sind echte Waffen. Das erkennt jeder Fachmann. Das man damit nicht schießen kann, erkennt keiner. Wenn du die runterhandeln willst: 500 für beide und das ist meine letztes Wort.“

Jan nickte: „Na gut, wann kann ich die holen?“

Fiete blickte wieder desinteressiert auf sein Handy und murmelte: „Morgen um 16 hundert. Bring ne Tasche mit oder einen undurchsichtigen Beutel. Für Plastiktüten sind die Dinger zu schwer.“

16 hundert war der Ausdruck des amerikanischen Militärs für vier Uhr nachmittags, exakte Uhrzeiten wurden so bezeichnet. Wer weiß, was Fiete in seinem Leben schon angestellt hatte. Manche munkelten, er sei unehrenhaft aus einem Zivildienst in Rammstein von der Army verabschiedet worden. Wen könnte das aber in diesem Augenblick interessieren.

„Tschüss, Fiete, bis morgen 4 Uhr.“

Doro kam Jan entgegen und hakte sich bei ihm ein. Sie begleitete ihn zum Ausgang direkt vorbei an den großen eisernen Rädern mit den roten Speichen und dem blanken Rand.

„Na, besuchst du mich morgen wieder?“, fragte sie schelmisch.  Sie schien den letzten Satz gehört zu haben.

„Immer gerne“, meinte Jan.

Dann ging er nach Hause und fand seine Wohnung wie immer leer und still. Er schaltete den Fernseher an, um wenigstens etwas virtuelle Begleitung zu haben.  Es war fast 18 Uhr und die Nachrichten begannen. Überall in der Welt gab es Menschen, die in Armut und Elend ihr Leben fristeten. Manchmal dachte Jan, dass es den armen Leuten in Deutschland immer noch besser ginge, als jene, deren Bilder die aus Afrika, Asien oder Lateinamerika übertragen wurden. Aber es stand nun mal für ihn fest, dass nicht jeder in Deutschland für seine Lebensleistung gerecht entlohnt werden würde.

Besonders beeindruckt hatten ihn auch die Pflegekräfte im Altersheim, wenn er seine Freunde dort besuchte. Immer wieder waren es Frauen, die schwerste Arbeiten verrichten mussten, obwohl die eigentlichen Pflegefälle noch eine Stufe weiter in ein Pflegeheim verlegt wurden. Jan wollte sich nicht vorstellen, dass er einmal so abhängig von fremder Hilfe werden würde. Würden er und seine Freunde es einmal besser haben? Mit Waffengewalt?

Ganz überzeugt war Jan von seinem Waffenhandel nicht gewesen, aber es blieb ihm nichts übrig und als Spareffekt hatte er dann nur 500 Euro ausgegeben. Fiete hatte immer wieder betont, dass nur die Freundschaft zu Schweine-Erwin so einen günstigen Preis sich für Jan rechtfertigen würde. Was er ja erwähnte hatte,  dass alle beide Pistolen verkürzte Schlagbolzen hatten. Man konnte nicht mehr damit schießen.
Am folgenden Vormittag machte Jan einige Spaziergänge. Er wollte sich schon mal eine Bank ausspionieren, die einigermaßen einfach zu betreten war und nicht so unmittelbar im Zentrum gelegen war.
Es fehlte noch an einem geeigneten Objekt. Werner hatte sich erinnert, dass es bei einigen Banken als Service Karten gäbe, an denen jede Filiale der Stadt aufgelistet sei. Da man nicht mit einem Auto jede Filiale abfahren konnte, weil man eben keins hatte, kaufte Jan einen Stadtplan und schaute sich so in der Gegend um. Dort fand er schließlich in der Nähe des Zentralfriedhofs eine kleine Nebenstelle, die für den Anfang, sozusagen zum Üben gerade das richtige zu sein schien.

Zum Mittag gab es bei Jan eine Dose Fertiggericht „Ravioli“. Die brauchte er nur öffnen und in einem Topf mit  Wasser erhitzen. Dann aß er aus der Dose und hatte nur einen Löffel als Abwasch. Die Dose kam in den Mülleimer, der abgespülte Löffel in die Schublade und schon war wieder alles aufgeräumt.

Am Nachmittag machte er sich auf,  die Hafenstraße hinab zu den Rangiergleisen zu schlendern. Es war seltsam drohendes Wetter so, als wolle es in jedem Moment anfangen zu regnen. Auch der Wind frischte mächtig auf und zerrte an den Blättern der Büsche.  So dunkel, dachte er, und noch nicht einmal hab vier.  Ein streunender Hund lief neben einem Gleis, die Nase dicht am Boden. Er schien hungrig.  Man konnte die Rippen durch sein kurzes Fell erkennen. „So wird es mir auch bald gehen“, murmelte Jan, „irgendwann werden wir auch den Boden nach Essbaren absuchen. Nach Nahrung, die andere weggeworfen haben.“ Um sich von trüben Gedanken zu befreien dachte er ein wenig an Doro. Sie war ja  vor dem Gesetz nicht verheiratet. Könnten Jan und Doro ein Paar werden, wenn er ihr in der Kneipe helfen würde? Den Gedanken aber ließ er gleich wieder fallen. Mit all den üblen Männern, mit denen sie  täglich  Kontakt haben musste, mochte er sich dann doch nicht anlegen. Trotzdem mochte er die wenigen glücklichen Stunden, die sie miteinander verbracht hatten, um nichts in der Welt aus dem Gedächtnis löschen.

Inzwischen waren es noch ungefähr einhundert Meter zum Goldenen Schellfisch. An einem Gleisübergang stand der Fahnenmast einer Speditionsfirma. Die Fahne flatterte im Wind und bei einer besonders heftigen Windbö knallte sie wie ein Peitschenhieb. Oder klang es wie ein Schuss? Abergläubisch war Jan nicht; er hielt sich jedenfalls nicht für abergläubisch. Aber waren das nicht alles böse Vorzeichen?  Jan versuchte, alle Ängste zu verdrängen. Es gelang ihm nicht ganz, das musste er sich eingestehen. Dann öffnete er die Tür zum goldenen Schellfisch.

Wieder schlug ihm der Geruch von verschiedenen Parfums in die Nase. Heute waren wohl wegen des schlechten Wetters mehr Tische mit Frauen besetzt. Doro konnte er nicht sehen und der Tisch von Fiete war noch leer. Der Duft von abgestandenem Bier war unterlegt mit ein wenig Whiskey – Würze.  Jan setzte sich an einen freien Tisch. Von einem anderen Tisch stand eine Frau auf und kam auf Jan zu: “ Na junger Mann, möchtest du mir einen ausgeben?“

„Nee, nix für ungut, schöne Frau. Aber in meiner Aktentasche sind keine gebündelten Hunderter. Vielleicht, wenn ich mal besser mit Mäusen drauf bin. “ Jan wies auf seine alte Aktentasche die er für den Transport der beiden Pistolen mitgebracht hatte. 

„Was hast du denn in deiner Tasche?“ Jan musste immer damit rechnen, dass in solchen Etablissements auch verdeckte Ermittelnde von der Kripo herumlaufen. Besonders Frauen wurden oft eingesetzt, um Menschenhandel unter den Prostituierten  nachweisen zu können. Daher sagte er: “ Na, ja, es ist ein Geschenk für Doro, sozusagen.“ „Du bist ein Freund von Doro?“

„Auf jeden Fall ein sehr guter Bekannter.“ Ein wenig Klappern gehört zum Handwerk, dachte Jan. Die Dame ließ von ihm ab und wackelte mit ihrem Hintern zu ihrem Tisch zurück.

Der Fiete ließ sich immer noch nicht blicken. Es war schon deutlich nach vier Uhr. Jan überlegte, ob es eine Falle sein könnte. Vielleicht war Fiete selbst verdeckter Ermittler?  Grade überlegte Jan, das Lokal zu verlassen, als er Doro an der Theke sah. Wenigsten Sie war gekommen.  Dann hatte auch Doro ihn gesehen und kam auch prompt zu ihm herüber.

“ Moin, Jan, mein Schatz, wartest du etwa auf den Fiete?“

„Ja, es wird schon ein wenig langweilig. Ich habe auch nur einen Heiermann (5 Euro) mitgekriegt zum verzehren. „

“ Her mit dem Fünfer, ich bring dir was. Du brauchst ja nicht Auto fahren nachher, oder?“ Doro machte ganz auf Geschäftsfrau. Das konnte sie auch richtig gut.  Ehe Jan einwenden konnte, dass er aber noch bei Verstand sein musste, wenn der Fiete endlich ankommen würde, hatte Doro schon den Weg zur Theke eingeschlagen. Nach einer kleinen Weile kam sie mit einem halben Liter Weizenbier und einer Flasche Sekt zurück.

“ So, nun pass auf, mein Junge. Das Bier ist für dich – ist ja klar – und ich mach inzwischen die Flasche Schaumwein auf.  Dann trink ich ein Glas Sekt hier am Tisch mit und vergesse die Flasche beim Weggehen. Das ist für die Umsatzsteuer. „

„Mensch Doro, das kann ich nicht alles bezahlen. “ Jan bekam so etwas wie Panik. Doro konnte das in seinen Augen ablesen.

Doro erklärte gönnerhaft: „Du hast doch deinen halben Liter mit dem Fünfer bezahlt. Die Flasche Sekt gehört mir. Du findest sie geöffnet als herrenlose Sache auf dem Tisch. Wer sich eine herrenlose Sache aneignet erlangt Besitz über sie. Wenn du also das erste mal Bier und Sekt zu Dobbas gemischt hast, bist du Besitzer der Flasche. “ Doro war auch in Rechtssachen nicht ganz unbedarft. Dann fügte sie noch hinzu: „Ich muss mich jetzt um meinen Mann kümmern. Wir haben Argumente ausgetauscht, ich glaube, dabei ist seine Nase gebrochen. Mal schauen, ob es aufgehört hat zu bluten. „

Sie öffnete den Sekt, goss ein Glas ein und rauschte davon. Jan blickte ihr nach. Sie verschwand in einer der Türen an der Querwand, wo auch die Theke ihren Platz hatte. In seinem aktiven Arbeitsleben hatte Jan schon öfter den sogenannten Dobbas getrunken. Wenn er einen Liter Bier und eine dreiviertel Liter Flasche Sekt verzehrt hatte, hatte er immer so ein positives Bewusstsein gehabt. Er war nicht betrunken, aber voller Optimismus gewesen. Nun, dachte er, versuchen wir es einmal, goss etwas Bier in das Sektglas um Platz zu machen für die Mischung in seinem Weißbier.

Von Fiete war immer noch nichts zu sehen. Die Uhr ging auf halb 5 zu und der halbe Liter war halb leer. Trotzdem hatte Jan wieder die von früher bekannte positive Grundstimmung. Er hatte ja jetzt auch kein schlechtes Gewissen, diese Kneipe zu besetzen. Schließlich hatte er ein bezahltes Getränk vor sich stehen. Auch um 17 Uhr hatte er noch nicht die Panik, die er ohne die „Medizin“ sicherlich gehabt hätte. Schließlich tauchte Doro wieder auf.

Ermittelt die Bundesinternetpolizei verdeckt im goldenen Schellfisch?

„Ich hab noch genug zu trinken“, meinte Jan. Doro antwortete aber in sehr bestimmten Ton: „Du kommst jetzt mit deiner Tasche in einer Minute hinter mir her und gehst in genau die Tür, wo ich auch verschwunden bin. Denk dran: Nach mir in einer Minute.“

Mit einem Schlag war Jan stocknüchtern. Die Angst vor allem Unbekannten war wieder da. Warum war Doro so ernst? Hatte sie etwa ihren Mann im Affekt tot geschlagen und Jan sollte bei Beseitigung der Leiche helfen?  Dran glauben müssen… Dieser Passus kam Jan ins Gedächtnis. Er musste jetzt dran glauben, dass Doro nichts Böses mit ihm vorhatte. Sollte er einfach durch die Tür gehen und basta? Sollte er vorher anklopfen und auf Herein warten? Sollte er jetzt lieber abhauen und alles beim Alten lassen? Sollte er jetzt lieber abhauen, alles abblasen und alles beim Alten lassen? Dann erinnerte er sich wieder an die Gerüchte um Fiete. Ein Weglaufen könnte jetzt wahrscheinlich tödlich sein.

Jan nahm einen großen Schluck Sekt pur und marschierte mit seiner Tasche unter dem Arm los. Jeder Schritt auf die ominöse Tür zu brachte neue Gedanken und Bedenken in sein Bewusstsein. Dann aber trat er ohne Anklopfen ein.

Hinter der Tür empfing ihn ein gedämpftes Licht. Eine winzige Glühbirne hing an der Decke und verbreitete eher eine abgemilderte Dunkelheit als eine Beleuchtung. Schemenhaft erkannte er, dass dieser Raum wohl ehemals eine Küche gewesen sein könnte.  Ein riesiger offener Gefrierschrank stand in einer dunklen Ecke. Die Funzel an der Decke schaffte es gerade, so etwas wie einen großen Herd, wohl über 5m lang und mindestens 2m breit, in der Mitte des Raumes aus der Dunkelheit zu schälen. Jans Augen schrien nach Licht und dann hörte er plötzlich aus einer der finstersten Ecken die Stimme von Fiete: „Kumm man her, min Jung! Häst du das Geld?“

„Ja, fünfhundert Euro Mark, kannst nachzählen“,  Jan versuchte auf die Stimme zu zugehen. Unvermittelt schaltete Fiete eine Wandlampe hinter sich an und Jan konnte sicheren Schrittes zu ihm gehen. Er legte die altmodische Aktentasche auf eine Art Tresen, hinter dem Fiete saß.  Dieser zählte 10 Scheine a 50 Euro und nahm die Tasche zu sich unter den Tisch. Sie war jetzt für Jan außer Sichtweite. Fiete bemerkte den fragenden Blick und beruhigte mit den Worten: „Es braucht keiner zu sehen, was ich dir in die Tasche packe. Im anderen Raum läuft nämlich eine verdeckte Ermittlerin herum. Die braucht nichts von unserem Geschäft zu wissen.  Wenn ich die Tasche wieder hoch gebe, darfst du gern reinschauen und die Dinger anfassen, aber nicht ans Licht raus nehmen.“

Ans Licht, dieser Ausdruck schien Jan schon angesichts des Halbdunkels sehr geprahlt. Er hob die Tasche ein wenig an und merkte schon am Gewicht, das etwas Schweres in der darin war. Eröffnete den Bügel und sah hinein. Dort lagen 2 Pistolen mit braunen Griffschalen auf schwarz brüniertem Stahl. Es roch ein wenig nach Ballistol oder anderem Waffenöl.  Er machte die Tasche wieder sorgfältig zu.

Unvermittelt machte Fiete das Licht aus. Aus dem Dunkel hörte Jan ihn sagen: „Neben mir hier ist eine Tür. Da gehst du raus und bist in der Herrentoilette. Kein Mensch beachtet dich, wenn du von da in den Gastraum kommst. Tschüss Jan und viel Glück.“

„Tschüss, Fiete, Danke für den Glückwunsch.“

Wie das wohl weitergeht?

https://blog.topteam-web.de/tipps-und-tricks/4-stremel-planlose-plaene/


2. Stremel: In der Ankerwinde mit Schweine-Erwin

2. Stremel: Schweine-Erwin

Jan hatte vom Dieter und vom Werner je 3,50 Euro bekommen und wenn er von sich aus den gleichen Anteil dabei legte, hatte er 10, 50 Euro zum Verzehr in der Spelunke. Er hoffte inständig, dass er den „Schweine-Erwin“ treffen würde, dessen richtigen Namen er nicht kannte, aber er wusste aus seiner Werft zeit, dass dieser Mensch noch keinen Handschlag ehrliche Arbeit im Leben geleistet hatte, ähnlich wie manche Prominenten aus der Zeitung. Wovon Schweine-Erwin eigentlich lebte, konnte oder wollte niemand so genau sagen, aber ab und an ging er auf Staatskosten in „Urlaub“ und da würde er bestimmt die richtige Auskunftsquelle für  Jan und seine Freunde sein.

Endlich habe ich ein Bild gefunden von der Ankerwinde-Bar. Wenn ihr Schweine Erwin dort trefft, grüßt bitte von mir.


Kurz nach 14 Uhr war Jan in der Kneipe weil er die Schichtzeiten der Schauerleute und anderer Hafenarbeiter  kannte,  und tatsächlich war Leben und Trubel in der Bude. Es stank wie immer nach Bier, Rauch, Schweiß und ein wenig auch nach Erbrochenem und in einer Ecke, die wohl schon seit 15 Jahren sein Stammplatz war, saß der Schweine-Erwin, eine massige Gestalt mit einem Gesichtsausdruck, der bei einem Fremden unhöfliche oder laute Schimpfworte im Keim ersticken würde.

Jan sah, dass auch Schweine-Erwin älter geworden war und sein Gesicht war gezeichnet mit tiefen Kerben und Falten. Jan konnte nicht deuten, ob es sich um Spuren von Trauer und Verbitterung handelte oder ob es Brutalität und Skrupellosigkeit, Hinterhältigkeit waren. Vielleicht war es auch nur ein Magengeschwür.
Der Erwin, wenn er denn so heißen sollte, erkannte Jan und dieser fragte nach einem „Moin, Erwin, was machst Du den so?“ gleich mal ob der Erwin ihm denn mit einer kleinen Auskunft helfen könne.

„Mach schon das Maul auf und sag, was du willst!“ meinte  Schweine-Erwin freundlich. Eine solide Bierfahne strömte mit den Worten aus seiner Richtung dem Jan entgegen.

„Ja, weißt du“, fing Jan vorsichtig an, „manche Leute erzählen über dich…“. Eine kleine Pause entstand.

„Na, was erzählen die über mich, spuck es endlich aus!“ Erwin schien die Geduld zu verlieren. Jan fasste allem Mut zusammen und brachte mühsam einen Satz heraus: “ Manche denken, du kennst dich auch hinter dicken Mauern aus.“

„Na und? Du kannst ruhig lauter sprechen. Bin stolz drauf.“ Beleidigt schien Erwin auf keinen Fall zu sein. „Musst Du denn auch bald rein? Hast` was ausgefressen?“

Jan fiel ein Stein vom Herzen. Hier würde er erfahren, was er brauchte.

“ Nee, weißt, du, ich habe 2 Kumpels aus dem Altersheim und wir wollten mal mit ´nem kleinen Bruch was dazuverdienen.  Is schon `n tristes Leben so ohne Geld. Kannst gerne mitmachen, wenn du willst.“

Erwin zog die Augenbrauen hoch. “ Ich mach schon lange keine Brüche mehr, und Ihr seid doch viel zu alt, und ihr seid auch zu doof. Einen Bruch kann nur machen, wer 3 mal erwischt worden ist und mindestens 4 Jahre gesessen hat. Denn im Knast lernt man am meisten.   Eventuell ginge für euch noch `n kleiner Bankraub.  Habt ihr denn Kanonen? Könnt ihr was investieren?  Und was ist, wenn man Euch schnappt?“

Die  Antwort von Jan verblüffte Schweine-Erwin total . „Das wollen wir doch grade, damit wir den täglich Krampf um Miete und Essen, Heizung, Medizin endlich für immer los sind. “ Wenn Schweine – Erwin nach allem was er erlebt hatte noch einen Gesichtsausdruck des ungläubigen Staunens hervorbringen konnte, dann hatte er es jetzt vollbracht.

„Ihr seid völlig bekloppt!“ entfuhr es Schweine-Erwin, unterlegt  mit einer besonders durchdringenden Bierfahne. Dann  antwortete er bereitwillig auf Jans diesbezügliche Fragen:  „Wasser und Brot als Vollnahrung gibt  es schon lange nicht mehr im Kittchen“, meinte Erwin, “ und je nach Laune der Anstaltsleitung kann man Zeitung lesen, Bücher ausleihen oder gar Fernsehen beantragen“.

Wobei in den Anstalten oft ein Gemeinschaftsraum zum Fernsehen war und man müsse sich mit den anderen Insassen auf das Programm einigen.
Ansonsten könne bei guter Führung auch mit Freigang rechnen oder andere kleine Vergünstigungen bekommen. Ärztliche Versorgung gebe es auch,  aber halt nur „Karo Einfach“ wie heute bei den Rentnern der Krankenkassen. Wer einen Gottesdienst besuchen wolle, könne jeden Sonntag singen: Bis hierher hat mich Gott gebracht in seiner großen Güte….“Bin selbst nie hingegangen, aber mein Zellenkumpan hat mir `s erzählt.“

Jans Unterhaltung mit Schweine-Erwin erwies sich als äußerst informativ. Er erfuhr nicht nur vieles über das Leben in verschiedenen Gefängnissen, ihm wurde auch abgeraten, einen Einbruch in eine Tankstelle, Bank oder einen Kiosk zu begehen. „Dort ist nicht viel zu holen und schließlich seid Ihr viel zu alt, um noch solche körperlichen Anstrengungen auf euch nehmen zu können!“

Dann gab es noch den kostenlosen Tipp, für einen Bankraub die Waffen zu besorgen : „Wenn ihr ne Kanone braucht riecht mal in „Zum goldenen Schellfisch“ rein.  Dort fragts Du  nach Fiete, der ist  zwar Rumäne und heißt ganz anders, aber weil er plattdeutsch kann, nennen ihn alle Fiete . Sag ihm, dass der Schweine-Erwin dich schickt. Sonst kriegst du nichts oder viel zu teuer.“ Dann würde er anständige Preise für seine Bewaffnung bekommen. „Der Fiete ist nämlich ein Schlitzohr, der bescheißt jeden nach Strich und Faden.“

„Den Goldenen Schellfisch kenne ich. Die Wirtin war damals Dorothea. Wann ist der Fiete denn immer dort?“, wollte Jan wissen.

„So, so, die Wirtin war  Dorothea?“ Erwin hob die Augenbrauen. – “  Doro ist immer noch Wirtin da. Wenn der goldene Schellfisch um drei aufschließt, bleibt Fiete  bis ein Uhr nachts. Er wickelt dort seine kompletten Geschäfte ab. Nicht nur Ballermänner, ab und an auch Stoff oder anderes Zeugs.  Gültige Papiere und so…Egal, was du brauchst: Reisepass Zypern, Führerschein Ukraine, Kontoauszug Malediven über 5 Millionen US Dollar, er besorgt einfach alles. „

Erwin war richtig in Fahrt und kam mit einer ganz anderen „Geschäftsidee“ heraus:

“ Ich bin jetzt nämlich hauptsächlich im Wodka Geschäft. Du kannst im Abschiebebahnhof (Altersheim) für mich in Kommission verkaufen oder für meine Qualitätserzeugnisse werben. „

Jan schaute verdutzt. Wodka? Woher hatte Schweine-Erwin so viel Wodka? Aber der hörte gar nicht mehr auf: „Ich geb` dir jetzt `ne Literflasche zur Probe mit. Umsonst! Die super Ware bekommst du von mir für 4 Euro den Liter. Wirst du glatt für 10 Euro los. Mehr als die 6 % kann ich dir aber nicht geben.“

Als Jan über diese Berechnung sehr skeptisch dreinschaute setzte Erwin noch einen Nachsatz, um Jan vollends zu überzeugen: „Das ist ein Jahrhundertgeschäft, ohne Risiko und fast ehrlich. Wird in einer sauberen Destille in Bulgarien gebrannt. Und dann solltet ihr noch bedenken, wenn einer geschnappt wird und den Fiete verrät, der ist ein toter Mann. Die Wodka – Geschichte ist dagegen harmlos. Der Staat ist der einzige, der geschädigt wird;  und der hat ja auch dich geschädigt.“

Mit vielen Dankeschöns nahm Jan die Flasche hochprozentigen Wodkas und eilte nach Hause. Nicht einmal das komplette Bewegungsgeld von 10,50 Euro hatte er gebraucht, denn sein Bier kostete nur 3 Euro 20 und der Schweine-Erwin hatte noch eine Runde geschmissen, wobei er auf gute Zusammenarbeit anstoßen wollte.
Das konnten jedoch wohl noch nicht alle Informationen sein, die man für so ein kompliziertes Vorhaben wie einen Bankraub braucht.

Trotzdem war es eine unglaublichen Fülle von Erkenntnissen mit der  Jan aus der „Ankerwinde“ gekommen war, und kaum konnte er das Zusammentreffen mit den Kollegen abwarten, damit er alles brühwarm erzählen könne. Außerdem musste er auch immer noch über Schweine-Erwins Wodkageschäft nachdenken. Wenn sie nur eine Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse wollten, dann genügte ja ein ständiges ausreichendes Einkommen, wozu dann noch Bankraub?  Die Freunde hatten vereinbart, dass sie sich nun entweder auf einer einsamen Stelle im Stadtpark treffen würden, oder bei Jan in der Wohnung, denn nicht jeder musste unbedingt mitbekommen, was die Opas beredeten. Beim schönen Wetter am nächsten Tag saßen sie nun im Stadtpark und genehmigten sich nach langer Zeit einen Schluck aus der geschenkten Wodkaflasche, die sie wohlweislich vor anderen Besuchern des Parks in einer Aktentasche versteckt hielten. Jan eröffnete die Diskussion:

„Der Schweine-Erwin meinte, im Knast ist es so ähnlich wie im Altersheim. Nur da bekommt man überhaupt kein Geld in die Hand, kann höchstens ein paar Cent verdienen und davon Bonbon oder Tabak kaufen.“ „Und Wodka?“ fragte Werner. „Wodka gibt es im Gefängnis nicht. Jedenfalls kann man ihn nicht kaufen. Der Erwin hat eine tolle Geschichte über selbst gebranntes Zeug erzählt, aber ganz bin ich da nicht hinter gestiegen. „

Dieter meinte: “ Wir haben doch auch schon mal Wodka getrunken. Ist es sowas? War doch gar nicht schlecht.“

“ Ja“ , meinte Jan, “ das sind die Etiketten von der russischen Standard – Marke. Die kleben Erwin und seine Kumpane auf selbst gebrannten Kartoffelschnaps. Den sollen wir dann im Altersheim weiter verkaufen.“

Zweifelnd meinte Werner: “ Ich kann mir nicht vorstellen, dass das klappt. Wir sind bei uns im Altersheim vielleicht 10 Männer, die einen Schluck vertragen würden. Vier liegen ständig im Bett. Von den 30 alten Frauen werden eine oder zwei auch mal Alkohol trinken. Wenn wir aber viel verkaufen wollten, müssten wir auch andere Altersheime, wie z. B. in der Rabenbergstraße abklappern. Wie sollen wir aber so viele Flaschen schleppen? Woher sollen die anderen Bewohnenden das Geld für Schnaps nehmen. Und die Flaschen müssen sie ja wohl vor der Heimleitung verstecken. Denn den anderen Bewohnern geht es nicht viel besser als uns.“

Je länger aber Jan über die Bedingungen im Gefängnis und über den Waffenhändler erzählte, desto mehr verwarfen sie das Wodkageschäft. Werner meinte druckreif: „Unsere zu erwartenden Strafen beim Verkauf von illegal gebranntem Wodka würde wohl nicht für eine staatliche Versorgung bis ans Lebensende ausreichen. Wir würden einfach nur zu kurzen Haftstrafen verurteilt. „

“ Du hast ja recht. Wenn wir dann wieder rauskommen, dann sind wir schlechter dran als vorher. Dann bekommen wir nicht einmal eine Mietwohnung und können auf der Straße kampieren. „

Das gab Jan zu bedenken und Dieter nickte vielsagend um dann den einzig gangbaren Vorschlag zu präsentieren.

„Wir müssen eine Bank überfallen. Mit Bewaffnung. Das hilft alles nichts.“

Nach dem zweiten oder dritten Schluck Wodka schienen ihre Pläne greifbar nahe, vielleicht sogar einfach.  Es konnte doch nicht so schwer sein, in die Bank hineinzugehen, alles Bargeld zu fordern und wieder hinauszugehen. Man müsse halt nur die richtige Bewaffnung dabei haben, solche, die auch Eindruck schinden würde.

Einige Male kam auch die Rede auf die gegenwärtigen Lebensbedingungen. War es wirklich mit dem Strafvollzug vergleichbar, was sie heute in Deutschland erleben mussten?  Werner meinte aber vom Theater her zu wissen, dass es auch in der Vergangenheit oft Bestrebungen von unterprivilegierten Personen gegeben hatte, wenigstens im Winter ein warmes Quartier zu haben, indem man ins Gefängnis ging. Er erinnerte an einen Film mit dem Titel: Im Kittchen ist kein Zimmer frei.

Warum sollte diese Methode nicht auch für ein bequemes Lebensende funktionieren? Schließlich sei es Generationen von Bankräubern gelungen, warum grade ihnen nicht. Die einzige Hürde bestehe in der Schwierigkeit, wenigsten 3 Schießzeuge besorgen zu müssen, denn Schweine Erwin hatte angedeutet, dass eine MP wohl nicht unter 5000 Euro „unter Brüdern“ zu haben sei. Für eine Munitionierung würde fast  nochmal der gleiche Betrag fällig werden usw. usw.
Zur Zeit kamen sie sich vor wie jener Bettler ohne Arme, der von einem gutmütigen Passanten eine alte Gitarre geschenkt bekommt, damit er sich etwas dazuverdiene.
Nach dem dritten Wodka offenbarte  Werner, der früher Komparse beim Theater gewesen war, ein Geheimnis:

“ Ich habe  1100 Euro vor dem Sozialamt versteckt , sozusagen als eiserne Reserve für Notfälle oder geschäftliche Gelegenheiten. Das Geld steckt in einem Laptop, den mein Sohn mir vor seinem Auswandern geschenkt hat. Für Notfälle hat er gesagt. So ein Fall scheint nach meinem Gefühl nunmehr eingetreten zu sein und ich erkenne keinen Grund, warum ich  nicht als Teilhaber und Finanzier einspringen sollte.“

Verblüfft  schworen Jan und Dieter , dass er von der ersten Beute seine „Einlage“ zurückbekommen würde und so gingen alle froh und beschwingt nach Hause und die Literflasche war kaum halb leer.
Es ist doch schön, wenn man in seinem alten Beruf noch einmal so richtig in die Vollen schreiten kann. Oder wie unser Lehrherr damals immer sagte, man weiß nie, wozu man dieses oder jenes Wissen noch einmal gebraucht.

Beim nächsten Treff war von der Wodkaflasche  noch mehr als die Hälfte übrig. Das Wetter war aber feucht und kühl, und so musste man in der Wohnung von Jan die letzten Einzelheiten besprechen. Der Fußmarsch dorthin war nicht so einfach, denn der Dieter war leicht gehbehindert und selbst die zwei oder zweieinhalb Kilometer bereiteten ihm erhebliche Schwierigkeiten. Der Arzt hatte ihm gesagt, es sei nichts Schlimmeres – nur ein wenig Schmerzen werde er haben. Es konnte also auch daran liegen, dass er einfach nicht genug Bewegung hatte.

Der dritte Stremel:

https://blog.topteam-web.de/tipps-und-tricks/3-stremel-im-goldenen-schellfisch/

 

Knast statt Altersheim

Hier geht`s los mit der Geschichte: Knast statt Altersheim

  1. Stremel: Jan Daballer
    Die Sache mit der Kreuzfahrt statt Altersheim scheint doch vielen Lesern einleuchtend gewesen zu sein, vor allem natürlich unter dem Kostenaspekt. – Es gibt aber noch eine zweite Methode, von der ich soeben (2006) erfahren habe. Auch sie erscheint völlig einleuchtend, wenn man sie Punkt für Punkt durchrechnet. Man braucht dazu etwas Mut, eine gute Idee und eine Kalaschnikov, wobei es auch eine Uzzi , eine Beretta, eine Häckler & Koch oder eine andere funktionierende MP tun würde. Hier mal ganz von vorne zur Situation vieler Rentner, und dieses ist nicht an den Haaren herbeigezogen, wie man unschwer in einigen Gesprächen herausbekommen kann.
    Herr, nennen wir ihn mal Daballer, wurde mit 62 Jahren Rentner, nachdem er seit seinem 59 Jahr arbeitslos gemeldet war. Da wurde es nichts mehr mit der üppigen Altersruhe, denn ihm blieben noch 750 Euro brutto. Davon musste er über hundert Euro Krankenkassenbeitrag blechen . So waren es schließlich nur noch 615 Euronen, mit denen er wirtschaften konnte.
    Die (Kalt) Miete für seine 2 Zimmer war inzwischen auf 230 Euro gestiegen und die restlichen 385 Euro waren noch nicht etwa der Grundbetrag, von dem er leben konnte. Die Stadtwerke hatten inzwischen seine monatliche Strompauschale auf 41 Euro erhöht und wegen der gestiegenen Heizölpreise war die Heizpauschale auf 61 Euro monatlich geklettert. Schwupp war man bei 283 Euro. Nun können ja die Müllabfuhr, die Wasserwerke und die Telefongesellschaft nicht völlig umsonst arbeiten, aber nun endlich schienen ihm noch 205 Euro zum (Über)Leben zu bleiben.
    Da war aber doch noch  die GEZ, schließlich war das Fernsehen fast sein einziger Kontakt zur Umwelt, da war auch noch eine Zusatzzahnversicherung, die KV der Rentner war auch dabei nicht besonders großzügig, wie alles in Deutschland oder in der Welt, was sich in ruhigen Zeiten Versicherung schimpft, in Krisenzeiten aber als Panzerschrank ohne Öffnung entpuppt. Rechnet man noch die Zuzahlung für die Medikamente von Herrn Daballer mit ab, den monatlichen Bedarf an Toilettenartikeln usw. dann blieben alles in allem noch etwas unter 140 Euro für Nahrung und Kleidung.

Laaangweilig, die Aufrechnung? Für viele in ähnlichen Umständen sicher nicht.

Da die Rentner allgemein weiterhin mit Nullrunden, ja de fakto mit Rentenkürzung wegen Inflation und hohen Pflege- und Krankenversicherungsbeiträgen rechnen müssen, bleibt abzusehen, wann Herr Daballer entweder seine Miete nicht mehr zahlen kann oder die Heizung einsparen muss, oder halt die Ernährung gegen Null fahren durfte. Im Moment hatte immer noch ein wenig Übergewicht, aber das würde er in den nächsten 5 Jahren fast mühelos – aber hungrig – leicht loswerden.

Jedenfalls begann unser Held zu grübeln. War das der Dank für die Schwerstarbeit auf Werften und auf dem Bau, die er oft unter Lebensgefahr für das aufstrebende Deutschland geleistet hatte? War das der Dank, dass er gegen Ende seines unfreiwillig durch eine absolute Pleite seiner letzten Firma abgebrochenen Erwerbslebens hunderte von – damals – D-Mark an Abzügen für Rentenversicherung gezahlt hatte? Irgendwie war er mit diesem „Dank“ nicht ganz zufrieden und sann auf Nachbesserung. Je mehr er verglich, wie jene Politiker lebten, die ihm diese ganze Misere mit ihrer Lobbyisten Wirtschaft eingebrockt hatten, und jene Kumpels von früher, denen es genau wie ihm vergleichbar bescheiden ging, umso mehr kam ihm der Gedanke, dass hier eine ganze Generation den Buckel für eine Minderheit hinhalten musste.

Dieter Drage, Werner van Straaten,

Wie kam er nun dazu, eine Opa-Gang zu gründen. Es begann alles damit, dass er ab und an mal im Altersheim vorbeiging, wo zwei Bekannte von ihm untergebracht waren. Eigentlich war es nur ein Bekannter, der Dieter Drage. Der war zeitweise ein früherer  Arbeitskollege bei einem großen  Baukonzern gewesen und lebte nun im Altersheim in der Moltke-Straße. Dort gab es mehr Frauen als Männer und daher hatte der Dieter sich mit dem Werner angefreundet, der einmal am Theater als Edelkomparse ein interessantes aber wenig einträgliches Leben gefristet hatte. Das Theater faszinierte ihn noch immer und wenn wer sich Backstage im Astoria Theater blicken ließ, traf er die eine oder andere Bekannte zum kleinen Insiderplausch.

Der Dieter und auch Werner hatten nicht etwa etwas gegen Frauen, es waren einfach die Themen bei Unterhaltungen. Wie auch heute noch gehen Frauen- und Männerschicksale im Laufe des Lebens  oft weit auseinander.  Da braucht es schon einen höheren Grad an Bekanntschaft, um für beide passende Unterhaltungsthemen zu finden. Das könnten gemeinsame frühere Schulen, Arbeitsstellen wie ein bestimmtes Theater, Sportvereine oder Hobbys gewesen sein. Was man so Vergleichbares  in vergangenen Jahren  eben erlebt hatte.

Die beiden Männer waren 66 und 68 Jahre alt und seit zwei Jahren im Altersheim, weil die Kinder, im Ausland lebend, keinen Platz in deren Wohnungen hatten. Leider war im Moment kein betreutes Wohnen in der Stadt im Moment frei. Eine neue eigene Wohnung konnte sich in der Stadt mit knapp 780 Euro Rente keiner leisten. Dieter mit seiner Behinderung kam auch schlecht allein zurecht.

Nun hatten sie zwar Unterkunft, Verpflegung und einen fast geregelten Tagesablauf, trotzdem waren sie mit ihrer Situation nicht zufrieden. Sie mussten schließlich ihre komplette Rente dem Heim überlassen, bekamen nur 40 Euro Taschengeld. Bei schönem Wetter saßen alle 3 im Garten des Heimes auf ein Bank und erzählten aus ihrem Leben. Dabei kamen sie schnell darauf, dass keiner mit seiner Situation zufrieden war und keiner fühlte an seinem Schicksal eine eigene Schuld.

Dieter meinte eines Tages in die Runde:

„Unser größter Fehler war, dass wir arme Eltern hatten. Das ist einfach unverzeihlich. “

Die anderen beiden nickten zustimmend. Nach einer kurzen Pause meinte der Jan:

„Ein Kind armer Eltern bleibt in der Regel ein Kind armer Eltern bis zum Tod. Dafür sorgen die Umstände bei uns.“

Auch der Werner wollte seine Gedanken zum Gespräch beitragen und bei seinen Worten merkte man, dass er am Theater auf jeden Fall sprechen gelernt hatte.

„Nun, wo wir unsere staatsbürgerliche Pflicht erfüllt haben, schiebt man uns ab und lässt  uns der Langeweile anheim fallen…“
Mit einem tiefen Seufzer schienen die drei zuzustimmen.

Jan, dessen ehemaliges Bauarbeiterdasein auch in der Unterhaltung nicht zu überhören war, meinte lakonisch:

„Nicht mal besaufen kann man sich ohne Geld. Fußball oder Kino kannst du glatt vergessen. Abends ein Bier in der Kneipe? Unmöglich. Gut, dass ich nicht rauche.“

Desto öfter sie zusammenkamen und je mehr sie diskutierten schien sich herauszustellen, dass es einzig und allein an Geld fehle. Mit genügend Geld könnte man sich eine gemeinsame Wohnung nehmen, eine Putzfrau oder Köchin einstellen, vielleicht sogar hin und wieder essen gehen, bessere Gesundheitsvorsorge bekäme man, usw. usw.

Die Kassen müssen sparen, das versteht man.

Eines Tages in einer besonders hitzig geführten Debatte sagte einer: „Man müsste einfach mal eine Bank ausrauben. Das Geld liegt auf der Straße, Menschenskind.“

Heute kann man nicht mehr sagen, wer als erster den Vorschlag machte.

„Ein wirklich revolutionärer Vorschlag!“ das sagte auf jeden Fall Werner darauf. „Aber ob wir wirklich in der Lage wären…“
  Zunächst wiesen aber alle 3 den Gedanken weit von sich. Dann begannen Dieter  zu vergleichen, was denn im Gefängnis anders sei, als ihre jetzige Situation; wenn sie denn ins Gefängnis kämen:

“ Da hast du Heizung, Essen und Beschäftigung umsonst, kannst einmal am Tag spazieren gehen, nur mit dem sprichwörtlichen Wasser und Brot, damit würde ich nicht zurecht kommen.“

Werner nickte mit dem Kopf und zitierte aus der Bibel: „Hänge dein Herz nicht an irdische Dinge, denn der Rost wird sie fressen und nachts kommen die Diebe. “ Im Bruchteil einer Sekunde fügte er hinzu:

„Mensch Jan, du kennst doch jede verrufen Kneipe am Hafen und in der Stadt. Kannst Du vielleicht einmal einen Knastologen fragen, wie das heute so im Gefängnis zugeht?“

Jan  konnte seit seiner Werftzeit ziemlich unbekümmert in berüchtigte Hafenkneipen gehen, und obwohl er sich nie etwas zu Schulden kommen lassen hatte, kannte er sich sogar mit dem besonderen Terminus aus, der dort gesprochen wurde. Er würde nirgends auffallen. Damit hatte er oft ein wenig geprahlt. Und der Werner erinnerte ihn nun daran.  Jan schien der Vorschlag auch nicht zu abwegig, aber dann gab er  zu bedenken:

„Ob ich nun direkt einen ehemaligen Straftäter kenne weiß ich nicht. Man erkennt die Menschen ja nicht an der Nasenspitze. Wahrscheinlich sind in der  Ankerwinde viele Gäste die Erfahrungen mit der Polizei gehabt haben. Ziemlich sicher bin ich mir da nur bei dem Schweine-Erwin. Es gibt eben Lords in Lumpen und Lumpen im feinen Zwirn.“

Der Dieter hatte eine Idee: „Wenn bei uns einer im Sommer neu anfangen wollte, der dann noch ganz blass war, sozusagen ohne Sonne gelebt hatte, dann wurde immer schon getuschelt. Wenn er dann noch ganz stümperhaft tätowiert war, dann konnte man glauben, dass er gesessen hatte.“

Es schien, als wolle Jan von sich aus gerne einmal die ehemaligen Kneipenbesuche  „nur mal aus Interesse“ auffrischen.  Vielleicht kannte er den einen oder anderen Gast noch von vor 3 Jahren, ehe er zum Rentner wurde. Dann meinte er – fast beiläufig: „Damit ich etwas verzehren kann brauche ich aber eine kleine Wegzehrung.“

Die beiden anderen wussten, was gemeint war.   Man legte  7 Euro zusammen, damit  er etwas Verzehrgeld mitnehmen konnte. Damit würden wenigstens die Kosten für ein kleines Bier gedeckt.  Die anderen beiden würden bis zum nächsten Treffen  gespannt auf seinen Bericht warten. Außerdem wollten sie nunmehr sicher gehen, dass sie nicht belauscht werden könnten und beschlossen, sich zukünftig in der Wohnung vom Jan am Ende der Moltkestraße zu treffen.
Die  3 „alten Kameraden“ kamen überein, sich jeden Donnerstag in Jans Wohnung  zu treffen. An einem solchen Tag  warteten schon Werner und Dieter  gespannt, was der Jan wohl über seinen Besuch in der berüchtigten Hafenkaschemme „Ankerwinde“ über die Gepflogenheiten im Gefängnis berichten würde.

Verpassen Sie nicht den 2. Stremel  https://blog.topteam-web.de/tipps-und-tricks/in-der-ankerwinde-mit-schweine-erwin/