Vor dem Arbeitsamt in N.

Lange Zeit dachte ich, so lustige Sachen passieren immer nur mir. Aber es scheint auch andere zu geben, denen etwas auf einem Amt zustößt, wie diese Geschichte aus den unendlichen Weiten des Internets beweist.

Herr Streifinger, wenn sie nicht möchten, dass dieses veröffentlicht wird: Es genügt eine e-mail an mich, denn Ihre e-mail konnte ich nicht in Erfahrung bringen, sonst hätte ich vor der Veröffentlichung gefragt.

Wie immer etwas aufgelockert mit Cartoons von Roger.
Text von Herrn Streifinger:   Da mein Arbeitsverhältnis an der TU München aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrages am 29.02.04 endete, nahm ich meine Rechte als deutscher Staatsbürger wahr und meldete mich arbeitslos. Um an das Arbeitslosengeld zu kommen, muss man sich allerdings einmal
zwangsberaten lassen. Man bekommen also irgendwann mal eine schriftliche Einladung, bzw. Vorladung und muss dann zu diesem Termin erscheinen. Am Freitag, dem 05.03.04 fand also mein großer Auftritt in der Bundesagentur für Arbeit in
Dachau statt.
Ich erscheine pünktlich um 10:00, klopfe an die Tür meiner persönlichen Beraterin aber es ist noch niemand da. Ist auch nicht weiter schlimm, dann warte ich halt noch ein wenig. Kurz darauf kommt die Bundesagentin für Arbeit den Gang herunter, schliesst die Türe auf, an der ich geklopft habe und geht hinein. Ich denke mir „coole Sache“ und gehe hinterher.
Ohne sich umzudrehen sagt sie:

Arbeitslos

„Herr Streifinger“
„Ja“
„Sie haben einen Termin?“
„Ja“
„Sie werden aufgerufen!“
Na gut, geh ich halt wieder raus und mach die Tür hinter mir zu. Gleich drauf geht die Tür wieder auf:
„Herr Streifinger!“
GRMPF. Ich Kämpfe ein wenig gegen meinen dicken Hals, beschliesse aber, höflich zu bleiben und trete ein.
Ich: Guten Morgen.
Bundesagentin für Arbeit: –
Sie schaut mich nicht mal an. Starrt nur einige Minuten auf ihren Monitor und blättert irgenwo rum.
Bundesagentin für Arbeit: Sie sind Diplom-Informatiker?
Ich: Ja.
Sie versucht auch gar nicht, irgendwie höflich zu wirken. Sie spricht es nicht aus, aber es ist ganz klar: „Ich entscheide selber, zu wem ich höflich bin. Und Du lästiger arbeitsloser Winsler gehörst heute nicht dazu.“
Bundesagentin für Arbeit: Sie wollen eine Stelle als Projektingenieur?
Pause. —
Das geht ja gar nicht!
Ich: Warum soll das nicht gehen?
Bundesagentin für Arbeit: Sie haben ja gar keine Ausbildung.
HÄÄÄ ?

Ich: Nun gut, ich habe promoviert. Ich glaub schon, dass das eine Ausbildung ist. An dieser Stelle muss man anmerken, dass ich bereits bei meinem ersten Termin schon diverse Formulare ausgefüllt habe und meinen Lebenslauf, natürlich mitsamt der Ausbildung ausführlich geschildert habe. Ebenso wie diverse sonstigen Kenntnisse, die mich für eine etwaige Anstellung qualifizieren könnten.
Bundesagentin für Arbeit: Sie sind Informatiker! Wie kommen Sie auf die Idee, eine Stelle als Projektingenieur zu bekommen?
Ich: Naja, ich habe eben promoviert und denke, dass so eine Stelle ganz gut zu meiner Ausbildung passen würde.
Bundesagentin für Arbeit: Ja was promoviert? Sind sie Techniker?
Das ist zuviel. Ich muss laut lachen. Ja, klar. Ich hab mein Diplom gemacht und dann als Weiterbildung noch in drei Jahren den Techniker drangehängt. Eigentlich wollte ich noch meine Gesellenprüfung machen, bevor ich mir einen Job als Projektingenieur suche.
Ich: Nein, ich bin kein Techniker. Ich habe promoviert. Ich habe eine Doktorarbeit geschrieben und bereits im Dezember eingereicht.
Bundesagentin für Arbeit: Ja wie Doktor? Das hätten Sie schon angeben müssen.
Ich habs angegeben…

Vorschrift

Ich: –
Sie liest wieder auf Ihrem Monitor…
Bundesagentin für Arbeit: Seit Dezember 2000 Promotion an der TU München. Ja und? Als was? Glauben Sie, das kann ich riechen?
Riechen wirst Du’s nicht können, aber lesen vielleicht. Ich habs jedenfalls auch angegeben…
Langsam gehts mir auf die Nerven… Ich versuche trotzdem ruhig zu bleiben. Wenn ich jetzt mit dem Fachgebiet Hochfrequenztechnik ankomme, dreht die Agentin hohl…
Ich: In Hochfrequenztechnik
Bundesagentin für Arbeit: Ja und? Was ist das?
Ich: Hochfrequenztechnik ist ein Teil der Elektrotechnik und die wiederum ist ein Ingenieursfach.
Bundesagentin für Arbeit: Was haben Sie denn nun studiert?

Macht die das mit Absicht?
Ich: Ich habe Informatik studiert und in Hochfrequenztechnik promoviert.
Meine persönliche Agentin verzieht das — nennen wir es Gesicht, schüttelt den Kopf, schnauft laut und tippt irgendwas in den Rechner.
Bundesagentin für Arbeit: Was haben Sie für Berufserfahrung?

Aha. Promotion in einem Ingenieursfach und eine Bewerbung als Projektingenieur geht also scheinbar zusammen. Oder sie hat aufgegeben.
Wenn ich Ihr jetzt erzähle, dass ich frisch von der Uni komme und daher KEINE Berufserfahrung habe, platzt sie. Also bin ich gaaaanz vorsichtig.
Ich: Was habe ich denn zur Auswahl? Oder soll ich einfach mal aufzählen, was ich alles gelernt habe?
Bundesagentin für Arbeit: Ja, erzählen Sie mal.
Mist. Das wird nicht leicht. Aber vorsichtig sein kommt gut an. Die Agentin wird etwas ruhiger.
Ich: Puuh. Das ist ein weites Feld.
Bundesagentin für Arbeit: Haben Sie PC-Kenntnisse?
Neiiiin, ich muss sterben. Ich fall fast vom Stuhl vor lachen.
Ich: Entschuldigung. Ich habe 5 Jahre Informatik studiert. Ich denke schon, dass ich PC-Kenntnisse hab.
Lachen war nicht gut. Die Agentin verspannt sich wieder.
Bundesagentin für Arbeit: Ja was können Sie denn?
Na gut, ich versuche wieder ernst und freundlich zu bleiben.
Ich: Ich habe sehr gute Kenntnisse in verschiedenen Office-Paketen, Datenbanken, Programmierung, …
Die Agentin fällt mir ins Wort. Ich glaub, sie hat irgendwas gehört, das sie auch kennt.
Bundesagentin für Arbeit: Datenbanken? Welche Datenbanken kennen Sie denn?
Ich: Alle.
Jetzt ist sie richtig sauer. Sie schreit mich fast an.
Bundesagentin für Arbeit: Alle? Wissen Sie eigentlich, wie viele Datenbanken es gibt? Soll ich etwa hinschreiben, ALLE?
Gibts da echt so viele?
Ich: Ich habe 5 Jahre lang Informatik studiert. Ich weiss ziemlich gut, wie viele Datenbanken es gibt. Wissen Sie, wie das Studium angelegt ist? Da lernt man die Grundlagen. Ich KANN mit ALLEN Datenbanken arbeiten.
Jetzt ist sie beleidigt, oder sowas. Bundesagentin für Arbeit: Na gut, schreib ich rein ALLE.
Gutes Image
Nach einer kurzen Pause wird sie wieder unglaublich laut. Ich glaub, sie denkt, sie hat mich
jetzt erwischt. Bundesagentin für Arbeit: Und Programmiersprachen? Soll ich da auch reinschreiben alle?
Also eigentlich ist mir scheissegal, was Du da reinschreibst. Job bekomme ich von Euch eh keinen. Mit meinen PC-Kenntnissen reichts höchstens zur Sekretärin. Ich: Nein, nicht alle. C, C++, Cobol. Diverse Skriptsprachen, aber wieder zu viele, um sie aufzuzählen. Außerdem habe ich sehr gute Unix Kenntnisse.
Bundesagentin für Arbeit: Was JUNIK? Was ist denn JUNIK?
Doch, sicher. Das ist Absicht. Ich muss aber trotzdem ziemlich lachen. Das macht sie natürlich wieder sauer. Es wird wohl noch ein Weilchen dauern, bis ich ihr Lieblings-Arbeitsloser bin.
Ich: Ich buchstabiere: U-N-I-X. Das ist ein Betriebssystem.
Bundesagentin für Arbeit: Wenn Sie bei uns geführt werden wollen, dann müssen Sie mir schon diese Fragen beantworten.
Wo willst Du mich denn hinführen?
Ich: Ja schon klar. Ich denke aber, ich kümmre mich besser selber um einen Job. Sie brauchen mich nicht zu vermitteln.
Dann wollte ich noch wissen, wann ich wohl mit meinem Arbeitslosengeld rechnen kann. Dazu konnte die mir aber keine Auskunft geben. Wahrscheinlich hatte sie auch gar keine Lust mehr.

________________________________________

An den Leser:
Das ganze ist tatsächlich so gewesen, wies da steht. Ich habe keine Konversation dazugedichtet oder weggelassen.
Falls Du Herr Gerster oder Herr Schröder heißt, dann ruf mich mal an. Ich weiss jetzt, wo das viele Geld hin ist.
–Ende des Zitats.

KategorienAllgemein

Schreibe einen Kommentar