10. Stremel: Für jeden zwei Überraschungen

So Leute, jetzt habe ich aber deutlich Bescheid bekommen: Mache deine Sätze kürzer. Der Text ist leichter zu lesen und zu übersetzen. Ich gebe mir jetzt Mühe. Wenn Werner aber seine Literatur Zitate rauslässt, dann schimpft bitte nicht auf mich. Ich bin schließlich nur der Botschafter, die Emittenten sind die Herren Klassiker oder die kopfgesteuerten Politiker.

P. S. Zur Auflockerung könnte man mal wieder eine alte Geschichte vom mir lesen: https://blog.topteam-web.de/?s=von+der+Maas

An diesem Nachmittag kamen kamen die Freunde wieder wie üblich in der Wohnung von Jan zusammen. Dieses Mal hatte wohl jeder einen Neuigkeit zu berichten. Werner begann mit seinem Besuch beim Theater ALADIN.

Der Intendant will die Oper Carmen aufführen. Else, eine Bekannte von mir, will sich bei ihm einsetzen, damit ich eine Statistenrolle bekomme. Da gibt es wieder ein paar Euros extra! Für uns alle natürlich!“ Das fügte er noch als Nachsatz hinzu.

Ja, musst du denn auch bei vielen Proben mitmachen und hast kaum Zeit für deine Freunde?“, wollte Jan wissen.

Der Spielplan beginnt erst in der  letzten Novemberwoche  und geht über Weihnachten bis ins neue Jahr. So schlimm wird es nicht und die Proben belegen oft  nur die Vormittage. Am Abend ist meistens schon eine andere Vorstellung angesetzt und so werde ich immer Zeit erübrigen können, um mit euch zu diskutieren. Natürlich kann ich auch bei irgendetwas mitmachen….“

Dieter schien erleichtert zu sein. Jan aber hing anderen Gedanken nach: Wenn die Polizei gestern bei ihm nur als Vorwand den Ärger mit Doro hatte aufklären wollen? Es war ihm nicht entgangen, wie die beiden Beamten, sich in seinem Wohn- Schlaf- Küchenzimmer umgeschaut hatten. Hatte die Polizei eine Spur zu ihm verfolgt? War irgendjemand verhaftet worden und hatte seinen Namen genannt? Dann fiel ihm ein, dass er ja überhaupt keinen Ärger mit seiner Verdauung gehabt hatte. Das schien ihm ein gutes Zeichen zu sein.

Dann kam Dieter mit einer Überraschung heraus.

Ich war heute Vormittag mit der Linie 12 in die Heinrichstraße zu dem Fahrradgeschäft gefahren. Dort bin ich extra auffällig rein gehumpelt. Dann kam ein Verkäufer angelaufen. Er fragte mich, was ich wolle. Ich habe ihm erklärt, dass ich gehbehindert sei und ein motorisiertes Fahrrad möchte. Ich könne aber nicht viel ausgeben, weil ich ganz wenig Rente habe.“

Werner konnte sich eine Bemerkung nicht verkneifen: „Ganz schön gerissen, aber es ja nichts als die Wahrheit, die reine Wahrheit und nichts hinzugefügt…So zusagen, so zitiert. “

Nee, hab ich nicht. Konnte ich gar nicht. Der Verkäufer lief gleich zum Chef. Der Chef kam und sah mich von oben bis unten an. Dann fragte er, wie viel ich denn als Preisvorschlag hätte.“

Werner war sehr gespannt: „Und was hast Du gesagt, du hattest doch praktisch nichts.“

Zur Sicherheit habe ich erst mal gesagt, zweihundert Euro könnte ich aufbringen. Darauf meinte er, so ein Ding dürfe er mir nicht verkaufen, es sei nicht verkehrssicher. 800 Euro sei die absolute Grenze. Das ist schade, habe ich gesagt, jetzt muss ich hier wieder heraus humpeln. Sozusagen ohne Erlösung von meiner Behinderung. Ich drehte mich schon um und wollte auf den Ausgang zugehen, da rief er noch einmal. Mein Herr, ich habe ein eigenes E-Bike. Das ist ein Jahr alt. Das hat fast drei Tausend Euro gekostet. Eigentlich wollte ich dafür noch fünfzehn hundert Euro haben. Weil Sie es sind gebe ich es für die Hälfte.“

Das sind immer noch siebenhundert und fünfzig Euro.“ gab Jan zu bedenken.

Ich meine, wir haben noch so viel. Dann habe ich gesagt, ich könne nur zustimmen, wenn dann auch noch ein Helm dabei sei. Dann waren wir uns einig. Wenn wir morgen bis drei Uhr dort sind, können wir das Ding abholen.“

Also Dieter! Ich muss mich bei dir entschuldigen. So einen gewieften Handel hätte ich dir nie zugetraut. Das grenzt schon an Genialität.“ Werner war voll Bewunderung.

Ich weiß nicht recht, ob ich mich bei dir bedanken soll. Du bist so raffiniert mit der Sprache, dass man sich immer unterlegten fühlt.“ Dieter war sehr vorsichtig und fühlte sich oft hintergangen. Bei Werner musste man aber auch aufpassen. Wenn er sich jetzt bei Dieter entschuldigen wollte, was musste er für schlimme Gedanken über ihn verschwendet haben.

Jetzt meinte Jan, er müsse auch seine Story loswerden: „Ich denke, ich hole mal unsere 3 Tassen und die Flasche Wodka. Keine leichte Kost, die ich heute gegen Uhr erlebt habe.“ Damit machte sich Jan am Küchenhängeschrank zu schaffen und Dieter erzählte, dass er das Handeln im Knoblauchbunker erlernt habe. Das sei kein Bunker gewesen, sondern ein Hochhaus, ein Wohnheim für ledige Männer. In der Mehrzahl hätten dort Türken und Araber gewohnt, die mit viel Knoblauch ihre Mahlzeiten zubereitet hätten. Das komplette Treppenhaus hätte immer nach diesem Gewürz gerochen. Es seien überaus nette Menschen gewesen. Abends hätten sie oft miteinander gesprochen bei Erdnüssen und Selters. Die meisten hätten keinen Alkohol getrunken, aber bei denen hätte er handeln gelernt. Er wurde oft mitgenommen auf einschlägige Basare und auch in Ankauf- Verkauf Geschäfte und auf Flohmärkte . Mit dieser Fähigkeit ausgerüstet habe er im späteren Leben den Leuten schon allerhand zu danken gehabt.

Ja, Leute, bei mir war heute die Polizei!“ Damit stellte Jan die Flasche und drei Tassen auf den Tisch. Obwohl er nicht besonders laut gesprochen hatte, bremste er Dieters Redeschwall damit wie auf Knopfdruck. Als erster fing Dieter sich aber wieder und fragte ganz folgerichtig: „Was wollten die denn?“

Ihr werdet es nicht glauben, aber die haben nach Frau Bartsch gefragt, der Wirtin vom goldenen Schellfisch. Die hatte wohl Ärger mit einem Stadtstreicher.“

Werner frage nach: „Vom Bankraub haben sie nichts gesagt?“

Kein Sterbenswort. Als wenn die beiden es gar nicht gewusst haben. Das beruhigt mich aber nicht sehr. Es könnte ja sein, dass das eine Polizeitaktik ist. Zuerst einmal bei dem Verdächtigen umschauen und dann Beweise sammeln. Es waren eine Frau und ein Mann und beide haben sich genau im Zimmer umgesehen.“

Hast Du denn etwas zur Sache aussagen können?“ Nun wollte Werner es genau wissen.

Ich habe nur gesagt, was ich auch gesehen oder vielmehr nicht gesehen habe: Ich habe nicht gesehen, dass Doro den Mann mit dem Kochlöffel geschlagen hat.“

Da scheint mir das Motiv der Polizei aber klar zu sein: Sie wollte den Vorgang mit dem Obdachlosen aufklären. Manchmal glaube ich, dass du dir zu viel Sorgen machst.“

Dieter meldete sich zu Wort: „Das denke ich auch. – Wann bekakeln wir denn den Kauf von unserem Rad? Oder wollen wir es nicht kaufen?“

Auf jeden Fall sehen wir uns das Teil einmal an. Wenn es wirklich so ein Schnäppchen ist wie der Verkäufer sagt, dann dürfen wir uns das nicht entgehen lassen. Am besten ist, du gehst morgen mit Jan dort hin. Dann meldet ihr das Ding auf Jans Namen an und auch die Versicherung geht auf Jan. Er hat die beste Adresse von uns dreien.“ Werner schien schon wieder einen Plan zu haben. „Wenn es wirklich ein E-Bike ist, braucht man Führerschein. Ihr beide habt einen, aber ich müsste noch einen kleinen Roller Führerschein machen. Es ist besser, wenn ich nicht mitkomme, denn man muss uns ja nicht zu dritt in der Öffentlichkeit sehen.“

Das leuchtet mir ein!“ Jan zögerte einen Moment ehe er fortfuhr: „Wäre es dann nicht besser, wenn ich das Ding nach Hause fahre? Ich brauche keine Einweisung und habe Fahrpraxis auf Baggern, Planierraupen, Muldenkippern, Gabelstaplern und Motorrollern. Danach können wir Dieter und auch dir, Werner, Übungen auf einem großen Parkplatz machen lassen. Am besten an einem Sonntag, dann sind die Plätze leer.“

Dieter nippte an seiner Tasse mit Wodka und nickte zustimmend. Dann gab er aber zu bedenken: „Wenn wir das nun alles gründlich erörtert haben, sollten wir uns klarwerden, was wir alles am Baumarkt ausspähen wollen. Sollen wir die Punkte festlegen und aufschreiben, oder ist das zu gefährlich?“

Werner äußerte sich zu Dieter gewandt: „Morgen kaufst du und Jan das Fahrrad. Dann fährst du mit dem Bus zum Übo Markt und Jan fährt mit dem e-Bike. Dann kann er gleich feststellen, ob das Ding was taugt. Jan geht dann in den Baumarkt und schaut wo das Büro sein könnte. Du kannst in der Zeit die äußeren Gegebenheiten anschauen. Wo könnte man sich mit der Beute eine kleine Weile verstecken? Kann man zu Fuß zum Fluss hinunter spazieren. Ist die Bushaltestelle direkt am Markt oder muss man da auch noch laufen?“

Äh, das mit der Bushaltestelle weiß ich. Die ist direkt am Markt, man muss aber über den ganzen großen Parkplatz zum Eingang gehen. Sag mal, können wir nicht beide zusammen in den Baumarkt gehen, oder ich gehe in den Markt und Jan läuft außen herum?“

Jan mischt sich ein: „Also mir ist das egal, wenn es nicht grade in Strömen regnet. Übrigens, was machst du denn in der Zeit wenn wir so fleißig sind, Werner.“

Werner lächelte ein überhebliches, arrogantes Gutsherren Lächeln. „Ich gehe morgen dann noch einmal ins Aladin Theater zu meiner Bekannten. Meinen Laptop nehme ich dann mit.“

Damit konnte selbst Jan nichts anfangen: „Hast du darauf das Kamasutra gespeichert und möchtest es nachspielen?“

Liebe Pfreunde“, Werner sprach das PF in Freunde recht deutlich aus, damit die beiden merkten, dass er sie für Pflaumen hielt. Jan merkte das, Dieter wusste mit dem PF nichts anzufangen. Werner fuhr mit einer ausführlichen Schilderung seiner Absicht fort:

Im Altersheim gibt`s kein Wlan dessen Passwort ich kenne. Else kennt aber das Passwort für das Theater – Wlan. Damit gehe ich ins Internet, zu Google Maps und wenn ich Glück habe, kann ich mir ein Satelliten-Bild von dem Baumarkt und dessen Umgebung ausdrucken. Ich hoffe, dass dann einer im Büro ist, den ich um so einen Ausdruck bitten kann. Leider wird es nur ein Schwarz- Weiß Foto sein.“

Dieter staunte nicht schlecht. Was es alles heute schon gibt, dachte er im Stillen und Jan grinste in sich hinein. Da hab ich mit dem Hinweis auf das Kamasutra seine Überheblichkeit auch ohne Schönheitschirurg aus seinem Gesicht bekommen.

Dann stellte man noch einvernehmlich fest, dass der Wodka zur Neige gehe und man wollte morgen Ersatz besorgen. Das sollte vor der Inspektion des Baumarktes passieren, weil man dort bleiben müsse, bis der Markt schließen würde.

Obwohl die erste Gaunerei so ein klägliches Ergebnis gebracht hatte machte sich eine positive Grundstimmung breit. Das war nicht nur dem wenigen Alkohol geschuldet. In Wirklichkeit war ihre Lage bisher keinen Deut besser geworden. Sie waren finanziell nicht besser gestellt als vorher. Aber sie hatten ein dunkles Geheimnis auf sich geladen.