6. Stremel: Abrechnung, eine schlechte Bilanz

Nach dem ersten Schritt der drei Freunde in eine vermeintlich bessere Zukunft gingen alle einzeln nach Haus. Werner und Dieter trafen sich erst am Nachmittag in Jans Wohnung wieder. Während Dieter in der Nähe des Heimes an einer kleinen Bude ein langes Gespräch mit dem Verkäufer führte, trieb sich Werner in der Nähe des Theaters herum. Er hoffte, die eine oder andere Bekannte zu treffen. Es war zwar noch früher Vormittag aber Proben fingen immer kurz nach 9 Uhr an.

Dieter wagte nicht, die Aktentasche mit dem Geld auf sein Zimmer im Altenheim zu bringen. Er befürchtete, das Putzpersonal würde nachschauen und den Plastikbeutel mit Geld finden. Das wollte er nicht riskieren. Den ganzen Tag konnte er aber auch nicht am Kiosk verbringen, obwohl er den Verkäufer gut kannte. Nach einem ausgiebigen Plausch über das Wetter und die schlechten Zeiten ging Dieter ganz langsam in Richtung Moltke-Straße zu Jan. Er wollte sich mindestens eine Stunde Zeit lassen und dabei alle Schaufenster betrachten, auch jene, in denen für ihn nichts interessantes zu sehen war.

Inzwischen war Jan zu Hause angekommen. Das letzte Stück Weges musste er immer breitbeiniger laufen. In ungewohnter Eile zog er sich aus und versuchte, seine Kleidung grob zu reinigen. Dabei musste er das Fenster weit öffnen, um den Geruch nicht in der Wohnung zu verbreiten. In der Dusche ließ er das heiße Wasser eine ganze Weile laufen, um mit dem Dampf die Luft zu reinigen. In dichten Schwaden zog der Wasserdampf über den Lüfter ab und nahm ein guten Teil der anrüchigen Luft mit sich. Dann kam die Wäsche in die Waschmaschine und Jan stellte sich unter das temperierte Duschwasser. Genüsslich wusch er sich alles ab und es fielen ihm Gedanken ein, die die Symbolik dieser Waschung beinhalteten: Wusch er sich hier den ganzen Dreck auch gleich von der Seele? Wie oft hatte er gegen die immer wieder überfallartig drohende Angst gekämpft. Sie ließ sich einfach nicht überbrücken.

Früher auf den Baustellen hatten Kollegen ihn immer bewundert, wie er anscheinend ohne jeden Anschein von Schwindel auf hohen Gerüsten herum geklettert war. Keiner macht ihm die Balance auf Stahlbauträgern in großer Höhe nach. Und nun? Was hatte ihn so umgehauen? War es die täglich Sorge um genügend Geld für Essen, Wohnen, Leben? War es die Langeweile gewesen, die vor dem Treffen mit Dieter und Werner seine Tage bestimmten? Oder hatte ihm die Trennung von seiner ersten Frau mit dieser Angsthysterie infiziert. „Es ist scheißegal woher, ich muss es loswerden,“ sagte er laut zu sich selbst. Niemand konnte ihn hören. Als er sich angezogen hatte, ging er ins Wohnzimmer, machte alle beiden Fenster und auch die Tür zum Flur auf . Es gab zwar etwas Zugluft, aber er wollte ja auch ausgiebig lüften.

Es mag schon halb elf gewesen sein als Dieter mit seiner Aktentasche bei Jan ankam. Er wunderte sich etwas über das „Haus der offenen Tür“ ging aber ohne Bedenken weiter in Jans Wohnung.

Hallo Jan! Bist du zu Hause?“ Dieter schaute sich genau um.

Hallo Dieter, hier bin ich. Komm rein und lass und mal schauen, was wir heute erarbeitet haben.“

Machst Du grade Haus der offenen Fenster und Türen?“

Gestern hatte ich Fisch gebraten, den Gestank muss ich loswerden“, Jan log wie es ihm in den Sinn kam.

Dieter gab sich mit der Antwort zufrieden, obwohl er so einen Fischgeruch noch nicht erlebt hatte. Dann legte er die Tasche auf den Tisch und meinte: „Dann lass uns mal zählen!“ Er überlegt, ob er gestehen sollte, dass er einen fünf Euro Schein an der Bude ausgegeben hatte, um die Zeit totzuschlagen. Dann ließ er es aber, weil man könnte ihn womöglich verdächtigen, größere Summen unterschlagen zu haben.

Der Kassierer hat den Plastikbeutel richtig voll gestopft. Ich bin gespannt, wie viel da reingegangen ist. Lass uns damit lieber in die Küche gehen, falls Besuch vom Paketboten oder sonst einer hier reinkommen will.“ Jan hatte natürlich keinen Extraraum als Küche, nur ein mit einer Leichtbauwand abgetrennten Bereich mit einer Pantry. Beide setzten sich neben der Spüle auf Küchenhocker und begannen, die Tasche zu untersuchen.

Ich schlage vor, dass wir erst einmal alles sortieren: Die Hunderter, die Fünfziger und dann die kleinen Scheine wie zwanzig, zehn und fünf. Dann zählen wir die einzelnen Zettel (Geldscheine) und multiplizieren mit dem Wert und dann zählen wir alles zusammen.“ Jan schlug damit eine rationale Methode vor, wie er meinte. Dieter hatte ein Bedenken:

Wollen wir nicht lieber warten, bis der Werner dabei ist?“

Eigentlich sollten wir uns alle vertrauen. Ich habe ihm ja auch die fünf hundert Euro wieder mitgebracht, die aus dem goldenen Schellfisch gerettet hatte. Außerdem bin ich sehr neugierig.“ Jan dachte dabei, wenn sie jetzt anfingen, sich gegenseitig zu misstrauen, dann könnte das alles nicht sehr lange dauern. Dann wäre es bald zu Ende mit ihrer „Geschäftsbeziehung.“ So machten sich beide daran, die Tüte mit dem schönen Gemüsebild auf der Spüle zu leeren und die Scheine fein säuberlich aufzustapeln. Irgendwie war die Tüte ziemlich voll gewesen, aber wenn die Scheine gestapelt waren, dann sah es erschrecken wenig aus. Als alles ordentlich aufgestapelt dort lag, sagte Dieter mit skeptischer Miene: „So viel sieht mir das gar nicht aus…“

Na, lass uns erst einmal nachzählen.“ Als Jan den Satz beendet hatte, klingelte es an der Wohnungstür. „Deck schnell die leere Tüte über den Haufen“, meinte Jan, dann ging er die Tür zu öffnen.

Ach, du bist es Herr van Straaten. Da bin ich aber froh! Wir wollten gerade das Geld zählen.

Prima“, freute sich Werner, „zur Feier des Tages habe ich für jeden eine Currywurst und für alle eine Flasche echten Korn. Essen wir erst einmal die Wurst und dann gehen wir ans Zählen.“

Dieser Vorschlag stieß auf allgemeine Zustimmung. Beim Essen erzählt Jan natürlich nichts von seinem Missgeschick, wozu auch? Warum sollte er den anderen und sich selbst den Appetit verderben. Das war doch wirklich nicht nötig. Er beschloss, überhaupt nichts davon zu erwähnen. Wie stünde er denn da? Das Angst und damit verbundene Verdauungsstörungen auch eine normale Krankheit sein könnten, davon wollte er nichts wissen.

Nach der Mahlzeit gossen sie sich jeder noch einen „Daumenbreit“ von echtem Korn ein und so satt und zufrieden widmeten sie sich wieder den Scheinen.

Es sind leider nur elf Zwanziger, also 220 Euro“, meldete Dieter. Alle schauten sich gegenseitig an. Das war nicht die Welt. Das Fehlen von Hundertern und Fünfzigern ließ die Erwartungen zusammenschmelzen.

Ich habe hier zweihundert und fünf Zehner gezählt. Das sind immerhin Zwei Tausend und fünfzig Euro.“ Werner konnte seine Enttäuschung auch nicht verbergen. Auch wenn Jan noch so einen Berg fünf Euroscheine zählen würde, der Kohl würde heute wohl nicht mehr fett. Dann meldete Jan noch eine Pleite:

Genau siebzig fünf Euroscheine, also 350 Euro. 2 Tausend, sechshundert und zwanzig, das ist unsere ganze Beute“ . Jan hatte schnell gerechnet.

Der Lohn der Angst!“ zitierte Werner.

Na, jedenfalls kannst Du deine Einlage wieder bekommen.“ Jan hatte ein sehr langes Gesicht bekommen. Dann schlug er vor: „Am besten, wir schenken uns noch einen Daumenbreit Korn ein, wenn Werner das gestattet“.

Ja, KreuzMillionSchockschwereNotzumDonnerwetternochdreimal! Schenk ein, mach Striche!“ Werner schien die Fassung zu verlieren, die Contenance, wie er sagte.

Einige Minuten trat betretenes Schweigen ein. Jeder hing seinen Gedanken nach. Mit dem sorgenlosen Leben war es eben so wenig real, wie mit dem dauerhaften Gefängnis. Plötzlich meldete sich Werner, der meinte, mit seien Literaturkenntnissen die Laune etwas zu glätten, indem er einen Witz erzählte:

Also stellt euch vor: Nach einem Manöverball gab der Major seinem Burschen die Ausgehuniform zum Reinigen. Dabei sagte er ungefähr so etwas wie, dass die jungen Leutnants ja nichts vertragen könnten und ihm auf die Uniformjacke gekotzt hätten. Der Bursche kam erst nach zwei Tagen mit der gereinigten Uniform zurück: `Warum hat das so lange gedauert?“ fragte der Major. Der Bursche nahm Haltung an und kam mit der Entschuldigung raus: `Melde gehorsamst Herr Major: Man hat ihnen auch in die Hose geschissen`.

Dieter brüllte los vor Lachen, Jan blieb seltsam still:

Was hast du Jan, kannst du nicht drüber lachen?“

Nee, lass mal! Guter Witz, aber ich denke grade nach..“

Lest auch den siebenten Stremel.  https://blog.topteam-web.de/satire-oder-tatsache/7-stremel-der-verflixte/

Da geht es rund.

4. Stremel: Planlose Pläne

Als Jan wieder im Gastraum stand, hörte er wildes Geschrei aus der Seite, wo seine angebrochenen Getränke standen. Doro stand dort und fuchtelte mit einem riesigen Kochlöffel aus blankem Metall in Richtung eines Mannes. Der hielt sich eine Hand, auf die er wohl einen schmerzhaften Schlag von Doros Küchenutensil bekommen hatte.

Scheer dich sofort raus, du elender Lump. Ich geb` gerne mal einen aus, aber fragen kann man ja wohl noch. Diese Getränke gehören meinem Freund und wenn du noch einmal hier reinkommst, dann hau ich dir einen auf den Schädel und nicht auf die Hand!“

Als der Fremde Jan kommen sah, verließ er fluchtartig das Lokal. Doro sah Jan an und meinte: „Auf den Ärger muss ich auch erst mal was trinken. So ein Penner. Setz dich, Jan, wir stoßen an auf gute Geschäfte.“

Wieso weißt du…“, ehe Jan die Frage zu Ende brachte antwortete Doro: „Was du nicht weißt, macht dich nicht heiß, im Gegenteil, du bleibst am Leben.“

Na gut, dachte Jan. Frag ich nicht weiter. Aber eine peinliche Befragung durch irgendwelche Freunde von Fiete oder Schweine Erwin würde wahrscheinlich auch nicht mein Hobby werden. Dann erzählte er sich mit Doro Geschichten aus alten Zeiten, und als Bier und Sekt leer waren, war es auch fast 8 Uhr Abends.

Vielen Dank für alles, Doro. Ich geh dann lieber nach Haus. Das Wetter war schon den ganzen Tag dunkel und der Wind scheint Sturm geworden zu sein.“

Ich verstehe das Jan; aber du musst versprechen, einmal wieder reinzuschauen. Wenn du kein Geld hast, komm gleich zu mir und wir reden, was wir machen könnten.“

Alles klar, Doro. Schönen Abend noch!“

Der Wind war tatsächlich zum Sturm geworden. Er rauschte in den wenigen Bäumen und machte seltsame Töne an einigen Dächern. Auch hörte es sich so an, als ob das Blechdach des goldenen Schellfisches eine besondere Melodie probieren wollte. Jan wollte sich beeilen, nach Hause zu kommen. Er musste aber auf den Weg achten, denn zwei mal war er schon gestolpert. Eine kleine Entfernung von vorn kam ihm eine ziemlich breite Gestalt entgegen. Er konnte nicht genau ausmachen, ob es Mann oder Frau war. Schon war die Angst wieder bei ihm. War es ein Gangster, der auch Geschäfte mit Fiete machen wollte? War es die Polizei, die ihn verhaften wollte. Hatte sie einen Tipp von der Ermittlerin bekommen. Jan versuchte, seine Gedanken im Zaun zu halten. Wenn ihn einer verraten hätte, konnte es nur einer sein, der selbst mit drin steckte. Die breite Gestalt kam näher und Jan erkannte zwei Frauen, die wohl zum Ausruhen oder Aufwärmen in den goldenen Schellfisch strebten und sich gegenseitig stützten. Besonders an ungeschützten Stellen konnte der Sturm einem den Atem rauben. Plötzlich knallte es wie aus einem Maschinengewehr. Die Fahne, die er schon auf dem Hinweg bemerkt hatte, knatterte wie eine automatische Waffe,  viel lauter als auf der Tour hier her. All diese Geräusche schickten Jan in ein Wechselbad der Gefühle. Erst als er den Mühlenbach erreicht hatte, der kein Bach sondern eine Straße war, konnte er sich ein wenig beruhigen. Dort fühlte er sich etwas sicherer, obwohl es dazu keinen Grund gab. Auch dort konnten Ziegel von den Dächern fallen und ihn treffen. Aber so ist es nun mal: Die größte Angst erschafft das Unbekannte.

Er überquerte die Budapester Alle und war in der Moltkestraße angekommen. In seiner kleinen Pantry Küche setzte er sich Wasser für einen heißen Ingwer Tee auf und nahm sich vor, einen großen Schluck Rum da hineinzugeben. Allerdings verwarf er den Gedanken wieder aus Furcht, zusammen mit seinem Getränkekonsum aus dem goldenen Schellfisch könnt ihm das zur Volltrunkenheit gereichen. Außerdem war der Rum als Medizin gedacht, wenn er mal richtig erkältet wäre. Diese halbe Literflasche war nicht für den Genuss bestimmt. 

Aus übertriebener Vorsicht zog er alle Vorhänge seines Wohnzimmers vor, ehe er die Pistolen näher betrachtete. Die beiden Handfeuerwaffen waren nicht erkennbar manipuliert. Bei beiden war die R. Nummer noch voll erkennbar. Etwas älter schienen sie schon zu sein, aber man konnte sie einfach zerlegen, reinigen und wieder montieren. Der Stahl hatte keine Schrammen oder Riefen. Es klemmte nichts.  Die Griffschalen wiesen schon einige Gebrauchsspuren auf. Jan dachte nach ob er den Freunden die Tatsache mit den abgeschliffenen Schlagbolzen erzählen sollte, oder ob er sie besser im Unklaren ließe. Jetzt würde er erst einmal die Pistolen wegpacken und er sah sich nach einem Versteck um. Es fiel ihm nichts besseres ein als beide in ein Geschirrtuch zu wickeln und in seinem Schlafzimmer auf den Kleiderschrank zu platzieren. Er schob sie ganz nahe an die Wand, damit niemand von unten etwas sehen konnte. Dann trank er genussvoll seine Tasse Tee und schaltete den Fernseher ein. Nach den 9 Uhr Nachrichten fand er nichts interessantes mehr und machte sich fertig zum Schlafen. Am kommenden Tag wollten die Freunde kommen und bestaunen, wie der Jan zum Waffenhändler geworden war. Ich brauche nicht nüchtern zu sein, dachte Jan, aber ausgeschlafen wäre sehr von Vorteil.

Am Mittag gab es bei Jan ein Fertiggericht mit dem Titel: Deftiger Eintopf. Deftig war daran der Wasseranteil, aber es machte satt. Diesmal war es keine Blechdose sondern ein hitzebeständiges Plastikteil. Aber auch da dauerte der Abwasch nur Sekunden. Der Löffel wurde wieder gespült und der Plastiktopf entsorgt. Nach seinem einfachen Mahl  wollte Jan grade die vierzehn Uhr Nachrichten anschauen als es  klingelte. Die Kollegen standen vor der Tür.

Hallo Jan, hast Du Kaffee im Haus“, immerhin hatte Dieter hallo gesagt. Ansonsten war es eine recht formlose Begrüßung.

Also für 3 Tassen wird es noch reichen, für eine Hochzeit ist es wohl zu wenig!“ Jan wunderte sich, dass man nach Kaffee fragte, wo doch sonst immer der geschenkte Wodka der Favorit unter den Getränken war.

Wir haben nämlich Kuchen geschenkt bekommen“, klärte Werner auf und nun wollen wir mal richtig wie bei Muttern Kaffee trinken.

Habt ihr den wirklich geschenkt bekommen, oder ist der irgendwo an euch haften geblieben?“ Zur Sicherheit fragte Jan nach. „Kommt doch erst `mal rein und setzt euch hin. Ich habe übrigens gestern eine Lektion in herrenlosen Gegenständen bekommen und weiß nun, wie man Besitz darüber erlangt.“

Eine Dame aus dem Altersheim hatte Geburtstag und viel zu viel Kuchen von ihren Enkeln bekommen. Da hat sie uns eingeladen und wir haben gefragt, ob wir stattdessen ein paar Stücke mitnehmen können. Da hat sie uns mehr gegeben, als wir heute aufessen können.“ Werner fasste es in wenigen Worten punktgenau zusammen. Dann aber fragte er neugierig: „Nun zeig doch mal unser Arsenal.“

Jan wollte gerne erst einmal mit Dieter abrechnen, damit er seine 600 Euro wieder bekäme, die für die Bewaffnung ja nicht ausgegeben wurden.

Ja Jan, zeig mal her den Kram. Bin schon sehr gespannt. Wie ging dir das denn in der Mördergrube?“ Dieter war sehr neugierig und wollte es auch nicht verbergen. Jan verstand das, denn schließlich war es sein Geld. Darum sagte er in die Runde:

„Es ist keine Mördergrube, nur weil die Nutten sich da frisch machen und der Händler da sitzt. Und auf Doro lasse ich sowieso nichts kommen. Die ist schwer in Ordnung.“ Nach einer kleinen Pause fuhr er fort: „Ich habe 500 Euro für 2 Pistolen Walter PP ausgegeben. Das war das einzige, was wir uns leisten können. Daher hat der Dieter noch 600 Euro, die ich hiermit zurück gebe. Bitte nachzählen Dieter.“

Während Dieter das Geld zählte, holte Jan aus dem Versteck die beiden Pistolen. Als er sie aus den Tüchern gewickelt hatte, spiegelten die Gesichter der anderen beiden ein wenig Enttäuschung wider.

Der Fie..“, beinahe hätte Jan den Namen erwähnt, aber dann bekam er noch die Kurve, „der Verkäufer hat mir versichert, dass es echte Waffen sind. Ich habe sie schon auseinander genommen und wieder montiert. So gesehen sind sie einwandfrei.“

Und was für einen Mangel haben sie, wenn sie so gesehen einwandfrei sind.“ Da war der Werner aber neugierig. „Und wo hast du die Munition?“

Wir brauchen keine!“ Jan ließ die Katze aus dem Sack. Einen Moment war es ganz still. Man hörte nur den Verkehr von der Straße.

Dieter griff nach einer der Waffen und stellte erstaunt fest:“ Mensch, sind die Dinger schwer! Nu sag aber mal, warum brauchen wir keine Munition?“

Es ist doch so, Leute: Wir alle haben keine Übung im Umgang mit Waffen. Eher wir einen von uns totschießen, lassen wir es lieber. Man kann auch jemanden Fremdes unbeabsichtigt erschießen. Die Pistolen sehen echt aus und sind echt. Jeder, auf den gezielt wird, muss damit rechnen, dass gleich der letzte Knall kommt, den er je hören wird.“ Langsam hellten sich die Gesichter der anderen beiden wieder auf. Jan fragte noch provokant: „Oder wollt ihr ein Blutbad anrichten?“

Das wollte keiner. Jan hatte aber noch etwas zu sagen: „Nehmt es nicht auf die leichte Schulter. Wenn ihr auf jemanden zielt und der ist selbst bewaffnet, dann seid ihr dran. Niemand – auch kein Fachmann erkennt, dass man mit den Waffen nicht schießen kann.“

Die Gesichter wurden jetzt ernster und Jan packte die Pistolen wieder in ihr Versteck. „Was meint ihr, wollen wir jetzt erst einmal Kaffee trinken wie bei Muttern?“ Der Vorschlag fand allgemeine Zustimmung.

Ich habe zwar 3 Tassen im Schrank, aber keine Kuchenteller. Ihr müsst schon mit normalen flachen Essgeschirr Vorlieb nehmen.“ Dieser Satz von Jan erzeugt eine gewisse Heiterkeit unten den Angesprochenen.

Wir werden dich nicht auf Komfort verklagen.“ Werner hatte auch gute Laune. Beim Kaffee trinken war Dieter ein wenig neugierig: „Nun erzähl doch mal was über den Handel in der Kneipe.“

Nee Dieter, es ist besser für Euch und für mich, wenn ihr nichts darüber wisst. Ich habe der Wirtin aber versprochen, wenn wir mal Geld in die Finger bekommen, dann komme ich mal mit Euch allen dort vorbei.“

Gut, gut, lassen wir das. Aber wo gehen wir denn nun hin und zeigen die Dinger vor, damit uns jemand Geld dafür gibt?“ Dieter hätte es gerne gewusst. „Und warum sind es nur 2 Ballermänner. Wir sind doch drei Leute.“

Manche wollen aus den Karten ihr Schicksal lesen…Ob das klappt, hängt wohl eher von ihnen selbst ab.

Einer muss ja nur gucken. Der braucht keine Waffe, das würde nur auffallen. Und ich würde vorschlagen, dass du das machst, Dieter.“ Jan blickte ihn fragend an. Ehe Dieter protestieren konnte fuhr Jan fort: „ Es ist ja möglich, dass bei unserer Bank 2 oder 3 Stufen zu bewältigen sind. Das wäre für dich eine Quälerei. Aber auf einer Parkbank sitzen und alles genau beobachten, dazu bist du genau der Richtige.“ Nun fühlte Dieter sich besser und er fragte nur noch:

Was macht ihr beide denn?“ Werner meldete sich auch zu Wort: „Wer geht denn nun rein zum Kassierer oder der Kassiererin und zeigt die Pistole vor?“

Jan meldete sich indem er den Finger wie in der Schule in die Luft hob: „Ich möchte einen Vorschlag machen: Ich maskiere mich und gehe rein. Ich werde auch als einziger eine Pistole mitnehmen. Werner steht draußen und hindert etwaige Besucher am hineingehen. Dieter sitzt auf der Bank mit einer Zeitung und einer Trillerpfeife. Wie gesagt, das ist ein Vorschlag.“

Wie soll ich denn die Leute am Eintreten hindern, wenn ich keine Pistole habe?“ Das hätte Werner gerne gewusst.

Du sollst die Leute nicht totschießen, sondern mit Worten überzeugen. Das hast du doch gelernt. Sag einfach, es ist eine ätzende Flüssigkeit ausgelaufen und deine Reinigungskolonne müsse den Kundenraum erst säubern. Oder so etwas in der Art. Gut wäre auch, wenn du einen ausländischen Dialekt nachmachen könntest. Für normale Leute gibt es dabei ja keinen Unterschied von Warschau bis Wladiwostok. Das bekommst du schon hin.“ Jan lief richtig zu Höchstform auf mit seinen Ideen.

Man könnte denken, dass du das schon einmal gemacht hast“, bewunderte ihn Dieter.

Dann meinte Werner: „Jetzt könnte ich gut einen kleinen Wodka vertragen. Haben wir noch etwas von Schweine-Erwins Geschäftsvorschlag?“

Das haben wir“, Jan holte die Flasche aus dem Kühlschrank. Dann fuhr er fort: „Ich habe aber leider keine passenden Gläser. Mein Vorschlag: Jeder gießt sich einen Daumen breit in seine Kaffeetasse. Es heißt doch immer: Hoch die Tassen.“

IN VINO VERITAS“, zitierte Werner. „Im Wein liegt Wahrheit wussten schon die Römer. Wodka haben sie sicher noch nicht gehabt.“

Je weiter sie den „Daumenbreit“ ausgetrunken hatten, desto einleuchtender und einfacher schien die Sache zu werden. Schließlich fragte Dieter, ob man denn morgen schon starten wolle.

Diesmal hatte Werner eine Idee: „Nee, Mensch, wir müssen uns  doch erst mal  umschauen, wann denn viel Geld da sein könnte. Dann müssen wir uns die Verkehrsverbindungen aufschreiben, damit du bequem wieder weg kommst,“ sagte er zum Dieter gewandt.  „Jan und ich müssen vorher festlegen, wie wir zu Fuß durch den Friedhof und zur Budapester Allee kommen. Es ist wohl besser, wir gehen einzeln, jeder für sich.“

Eine Woche lang müssen wir feststellen, um welche Uhrzeit der Panzerwagen vorfährt. Schließlich wollen wir vor ihm kassieren“, stellte Jan lakonisch fest.

Nach der Kaffeetafel und der Daumenbreite Wodka war man in gelöster Stimmung. Schließlich waren sie dabei, an einer besseren Zukunft zu basteln. Jan und Dieter würden wohl einen großen Teil ihrer Probleme mit Geld lösen können. Werner dachte im Stillen an die eine oder andere frühere Kollegin am Theater. Es gab da sicher auch einige Zicken, aber der überwiegende Teil waren nette Frauen, Damen in jedem Alter. Seien sie nun Schauspielerinnen, Maskenbildnerinnen, Souffleusen, Garderobieren oder mit anderen Tätigkeiten betraut. Mit einem tiefen Seufzer beendete Werner seinen gedanklichen Ausflug in eine bessere hoffentlich nicht mehr ferne Zukunft. Unwillkürlich stoppten die anderen beiden ihre Unterhaltung und schauten zu ihm hinüber: „Ist irgendwas, Werner?“

Nee, lass mal, alles gut!“

 

wird fortgesetzt nämlich hier:

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