3. Stremel: Im goldenen Schellfisch

3. Stremel: Im goldenen Schellfisch 

Auftragsgemäß machte Jan sich am Nachmittag auf „Zum goldenen Schellfisch“, einer dunklen Hafenspelunke. Das Gebäude lag nahe dem Ende jeder menschlichen Besiedlung im Bereich von  Rangiergleisen der Hafenbahn. Jan glaubte sich zu erinnern, dass es ein ehemaliger Lokschuppen gewesen sein sollte. Es regierte eine dicke Wirtin dort, welche wohl lange Zeit ein horizontales Gewerbe ausgeübt hatte. Sie selbst sprach aber davon, dass sie einmal als Tänzerin im – Muhleng Rutsche – gearbeitet habe, womit sie wohl das Moulin Rouge in Paris meinte .

Glaubte man den Gerüchten, dann war sie als sehr „durchsetzungsfähig“ bekannt. Ihr Mann bekam regelmäßig Prügel, wenn er betrunken in die Kneipe kam.  Dort wollte Jan den Fiete treffen und  Waffen für die Opa- Gang besorgen.

Der Gastraum war eine ehemalige Kantine für Bahnarbeiter. Es standen noch immer längliche nackte Holztische aufgereiht im Raum. An jedem Tisch waren 6 Sitzplätze auf Holzbänken mit primitiven Lehnen aus einem einzigen Brett. An einer Wand sah man  4 große Industriefenster mit Sprossenscheiben. An der anderen standen als Deko zwei große Räder aus Metall mit roten Speichen und ein kleineres komplett in schwarz. Das schienen original Räder einer Dampflokomotive zu sein. Die großen Räder hatten blanke Stahlringe als Spurkränze. Jan fand das sehr dekorativ. Am Ende des Raumes war neben dem Ausschank eine Wand mit Türen. Wahrscheinlich waren es Toiletten oder Waschräume.

Der Geruch des Raumes war nicht einmal unangenehm. Wohl lag ein leichter Duft von abgestandenem Bier in der Luft, aber hauptsächlich roch es nach verschiedenen Parfums.

Da kam auch schon Dorothea, die Wirtin auf Jan zu. „Mensch Jan, dich hat man ja lange nicht gesehen. Warum kommst du nicht mehr? Sind wir dir nicht mehr fein genug?“

Sie roch, als habe sie gerade eben in Kölnisch Wasser gebadet und kam so dicht an Jan heran, dass eine ihrer riesigen Brüste seinen Arm berührte.

„Doro, ich wäre gern öfter gekommen, aber seit ich Rentner bin, komme ich grade so über die Runden.“ Jan spürte in ihrem Atem einen leichten Duft nach Eierlikör oder Amaretto. Das konnte er nicht so genau mehr auseinanderhalten. Früher war er Experte gewesen in der Deutung von verzehrten Spirituosen nach Gerüchen im Atem. Mag sein, dass sie von beiden Spirituosen etwas genascht hatte.

„Ach Jan, das tut mir leid. Komm wir setzen uns an den Tisch da vorne und du erzählst mir alles von Deinem Kummer. Ich gebe einen aus.“ Dorothea schien sich zu freuen, den Jan mal wieder zu sehen.

An einigen anderen Tischen saßen Frauen in aufgedonnerter knapper Kleidung und stark geschminkt in kleinen Grüppchen zusammen. Jan wusste, dass hier der Straßenstrich von der Budapester Allee zu Gast war. Die Frauen benutzten die Waschräume zum umkleiden oder schminken und tranken schnell mal im Winter etwas warmes, im Sommer was kaltes. An einigen Tischen saßen auch Männer oder ein Mann mit den Frauen, aber Männer allein waren kaum zu sehen. Die Tische waren auch höchstens zur Hälfte besetzt.

Doro kam wieder mit 2 halben Liter Weißbier und meinte munter mit ihrem platt eingefärbten norddeutschen Einschlag: „Ischa woll deine Lieblingsmaake. Nu erzehl aba ma. Prost!“

Jan nahm einen tiefen Zug. Man sah ihm an, wie lange er das vermisst hatte.

„Ja, weißt du Doro, ich wollte eigentlich den Fiete sprechen. Vielleicht will ich ja mal was kaufen. Ich komme im Auftrag von 2 Freunden. „

Doro zog die Augenbrauen und die künstlichen Wimpern hoch, dass diese fast den Haaransatz berührten: „Jan Daballer! Bist du denn total verrückt geworden? Geschäfte mit Fiete kannst du nur machen, wenn vorher feststeht, dass alles klappt. Ein Fehler und du bist ein toter Mann. Deine Kumpels wahrscheinlich auch. Glaub ja nicht, dass du bei dem Kredit kriegst.“

Ein wenig schien sie beleidigt zu sein. Sie starrte in ihr Bierglas.  Nach einer kleinen Pause fügte sie leise hinzu: “ Ich hatte gehofft, dass du meinetwegen gekommen bist. Wieder mal ein schönes warmes Stück Mutterfleisch befummeln…“

Jan sah seine Felle wegschwimmen und wollte was nettes sagen: „Doro, wenn es mir finanziell besser geht, dann komm ich wieder jede Woche zu dir. Ganz bestimmt. Dann holen wir alles nach. Was wird denn dein Mann dazu sagen?“

„Mach dir darum keine Sorgen. Wir sind ja nicht verheiratet. Um meine Männer kümmere ich mich selbst. Ich hab nur Sorgen um Dich. Man munkelt nämlich, der Fiete gehört einer   `ehrenwerten Gesellschaft` an. „

Natürlich wusste Jan, dass damit die Mafia gemeint war. Das brachte ihn für einen Moment ins Grübeln. Dann sagte er sich aber dass viele bei der Mafia,  Narkotika kaufen. Die Mafia wird ja nicht alle ihre Kunden umbringen. Dann meinte er lakonisch: „Doro, ich will bloß  was kaufen, bezahlen, abhauen und ende.“

Weil Jan mit dem Rücken schräg zu der Ecke des Raumes saß wo der Eingang war bekam er den gerade eintretenden Ankömmling nicht in den Blick. Doro konnte ihn aber genau sehen. Ein kleiner dicklicher Mann, höchstens einen Meter und fünfundsechzig groß, vielleicht 90 kg schwer mit rundem, fast lustigem Gesicht und einer Plastiktüte in der Hand ging quer durch das Lokal und setzte sich allein an einen Tisch in der Nähe der Türen. Es waren eine Menge Türen und wenn 2 zu den Toiletten führten, wohin würden die anderen wohl gehen.

„Das ist Fiete“, sagte Doro leise, „guck nicht so auffällig da hin.“ 

Jan versuchte, so unauffällig wie möglich in die Richtung des Tisches zu schauen. Der Neuankömmling sah nicht besonders gefährlich aus, aber wenn er eine bestimmte Sorte von Freunden hatte, dann braucht er auch kein „Abwehrgesicht“.

„Kann ich denn einfach so quer durch zu ihm gehen?“

„Warte, ich komme mit !“ Doro stand auf und sie gingen beide durch den Raum auf den Tisch von Fiete zu.

Doro stellte Jan vor: „Das ist Jan, der früher öfter hier war, jetzt will er eventuell etwas kaufen.“

Fiete blickte nicht von seinem Handy auf. „Du wisst wat köpen? Wer het di to mi schickt?“

„Schweine – Erwin aus der„ Ankerwinde„“. Jan verstand Plattdeutsch, traute sich aber nicht zu sprechen. Dorothea verließ den Tisch. Sie wollte lieber nichts hören. Dann könnte sie  später auch nichts sagen.

Fiete schaute immer noch nicht hoch. Dann artikulierte er in akzentfreiem Deutsch: „Das ist eine gute Empfehlung. Hat er dich auch drauf aufmerksam gemacht, dass ich keine Spinner mag?“

„Ich mach  auch nur ehrliche Geschäfte: Hier das Geld, hier die Ware und weg. Keiner kennt den anderen oder hat ihn je gesehen.“

„Set di hen, mien Jung. Wir werden ins Geschäft kommen. Was brauchst du?“

„Ich wollte mal nachfragen, wieviel MP ich mir leisten kann. Am liebsten Häckler & Koch oder Beretta, zur Not auch Kalaschnikov“. Jan hatte ja keine Ahnung von Preisen.

„Eine Kalaschnikov kannst du schon für 5000Euro kriegen, die anderen sind teurer.  Braucht ihr auch Munition?“

„Verdammt, soviel hab` ich nicht. Ich brauch was billigeres. Was gibt es denn sonst noch was knallt und stinkt.“

Nach dieser Antwort schaute Fiete hoch und musterte Jan von oben bis unten. Dann meinte er: „Du bist eher die Walter PP Klasse. Vielleicht noch eine schöne Para bellum. Auch eine alte 08 sieht immer schön gefährlich aus.  Du gefällst mir. Mein Angebot: 2 Stück Walter PP, die sind oft noch bei der Polizei in Gebrauch und 550 Euro für beide. Die Parabellum macht euch sowieso eure alten Handgelenke kaputt.  „

Jan brauchte einige Sekunden zum Grübeln. – „Sind die Magazine voll?“ Damit wollte er ein wenig Sachverstand suggerieren.

„Die Schlagbolzen sind abgeschliffen. Man kann damit nicht schießen, also braucht das Magazin nicht voll sein. So viel mir der Schweine Erwin erzählt hat, wollt ihr nur jemanden erschrecken. Es ist für uns alle sicherer, wenn ihr niemanden damit erschießen könnt. „

Nun brauchte Jan noch mehr Sekunden zum Nachdenken. War es so wie Doro schon angedeutet hatte? Dass der Schweine – Erwin und der Fiete sich kannten war ja klar. Hatten die schon miteinander gesprochen? Waren die beiden Mitglieder eines Clans oder einer „Familie“. Dann sagte er tapfer: „Wenn das nur Museumsstücke sind, warum können die uns dann nützen?“

Fiete schaute nicht von seinem Handy auf. Was er wohl da interessantes vorhatte? Er sagte ganz ruhig, es klang wie beiläufig: „Es sind echte Waffen. Das erkennt jeder Fachmann. Das man damit nicht schießen kann, erkennt keiner. Wenn du die runterhandeln willst: 500 für beide und das ist meine letztes Wort.“

Jan nickte: „Na gut, wann kann ich die holen?“

Fiete blickte wieder desinteressiert auf sein Handy und murmelte: „Morgen um 16 hundert. Bring ne Tasche mit oder einen undurchsichtigen Beutel. Für Plastiktüten sind die Dinger zu schwer.“

16 hundert war der Ausdruck des amerikanischen Militärs für vier Uhr nachmittags, exakte Uhrzeiten wurden so bezeichnet. Wer weiß, was Fiete in seinem Leben schon angestellt hatte. Manche munkelten, er sei unehrenhaft aus einem Zivildienst in Rammstein von der Army verabschiedet worden. Wen könnte das aber in diesem Augenblick interessieren.

„Tschüss, Fiete, bis morgen 4 Uhr.“

Doro kam Jan entgegen und hakte sich bei ihm ein. Sie begleitete ihn zum Ausgang direkt vorbei an den großen eisernen Rädern mit den roten Speichen und dem blanken Rand.

„Na, besuchst du mich morgen wieder?“, fragte sie schelmisch.  Sie schien den letzten Satz gehört zu haben.

„Immer gerne“, meinte Jan.

Dann ging er nach Hause und fand seine Wohnung wie immer leer und still. Er schaltete den Fernseher an, um wenigstens etwas virtuelle Begleitung zu haben.  Es war fast 18 Uhr und die Nachrichten begannen. Überall in der Welt gab es Menschen, die in Armut und Elend ihr Leben fristeten. Manchmal dachte Jan, dass es den armen Leuten in Deutschland immer noch besser ginge, als jene, deren Bilder die aus Afrika, Asien oder Lateinamerika übertragen wurden. Aber es stand nun mal für ihn fest, dass nicht jeder in Deutschland für seine Lebensleistung gerecht entlohnt werden würde.

Besonders beeindruckt hatten ihn auch die Pflegekräfte im Altersheim, wenn er seine Freunde dort besuchte. Immer wieder waren es Frauen, die schwerste Arbeiten verrichten mussten, obwohl die eigentlichen Pflegefälle noch eine Stufe weiter in ein Pflegeheim verlegt wurden. Jan wollte sich nicht vorstellen, dass er einmal so abhängig von fremder Hilfe werden würde. Würden er und seine Freunde es einmal besser haben? Mit Waffengewalt?

Ganz überzeugt war Jan von seinem Waffenhandel nicht gewesen, aber es blieb ihm nichts übrig und als Spareffekt hatte er dann nur 500 Euro ausgegeben. Fiete hatte immer wieder betont, dass nur die Freundschaft zu Schweine-Erwin so einen günstigen Preis sich für Jan rechtfertigen würde. Was er ja erwähnte hatte,  dass alle beide Pistolen verkürzte Schlagbolzen hatten. Man konnte nicht mehr damit schießen.
Am folgenden Vormittag machte Jan einige Spaziergänge. Er wollte sich schon mal eine Bank ausspionieren, die einigermaßen einfach zu betreten war und nicht so unmittelbar im Zentrum gelegen war.
Es fehlte noch an einem geeigneten Objekt. Werner hatte sich erinnert, dass es bei einigen Banken als Service Karten gäbe, an denen jede Filiale der Stadt aufgelistet sei. Da man nicht mit einem Auto jede Filiale abfahren konnte, weil man eben keins hatte, kaufte Jan einen Stadtplan und schaute sich so in der Gegend um. Dort fand er schließlich in der Nähe des Zentralfriedhofs eine kleine Nebenstelle, die für den Anfang, sozusagen zum Üben gerade das richtige zu sein schien.

Zum Mittag gab es bei Jan eine Dose Fertiggericht „Ravioli“. Die brauchte er nur öffnen und in einem Topf mit  Wasser erhitzen. Dann aß er aus der Dose und hatte nur einen Löffel als Abwasch. Die Dose kam in den Mülleimer, der abgespülte Löffel in die Schublade und schon war wieder alles aufgeräumt.

Am Nachmittag machte er sich auf,  die Hafenstraße hinab zu den Rangiergleisen zu schlendern. Es war seltsam drohendes Wetter so, als wolle es in jedem Moment anfangen zu regnen. Auch der Wind frischte mächtig auf und zerrte an den Blättern der Büsche.  So dunkel, dachte er, und noch nicht einmal hab vier.  Ein streunender Hund lief neben einem Gleis, die Nase dicht am Boden. Er schien hungrig.  Man konnte die Rippen durch sein kurzes Fell erkennen. „So wird es mir auch bald gehen“, murmelte Jan, „irgendwann werden wir auch den Boden nach Essbaren absuchen. Nach Nahrung, die andere weggeworfen haben.“ Um sich von trüben Gedanken zu befreien dachte er ein wenig an Doro. Sie war ja  vor dem Gesetz nicht verheiratet. Könnten Jan und Doro ein Paar werden, wenn er ihr in der Kneipe helfen würde? Den Gedanken aber ließ er gleich wieder fallen. Mit all den üblen Männern, mit denen sie  täglich  Kontakt haben musste, mochte er sich dann doch nicht anlegen. Trotzdem mochte er die wenigen glücklichen Stunden, die sie miteinander verbracht hatten, um nichts in der Welt aus dem Gedächtnis löschen.

Inzwischen waren es noch ungefähr einhundert Meter zum Goldenen Schellfisch. An einem Gleisübergang stand der Fahnenmast einer Speditionsfirma. Die Fahne flatterte im Wind und bei einer besonders heftigen Windbö knallte sie wie ein Peitschenhieb. Oder klang es wie ein Schuss? Abergläubisch war Jan nicht; er hielt sich jedenfalls nicht für abergläubisch. Aber waren das nicht alles böse Vorzeichen?  Jan versuchte, alle Ängste zu verdrängen. Es gelang ihm nicht ganz, das musste er sich eingestehen. Dann öffnete er die Tür zum goldenen Schellfisch.

Wieder schlug ihm der Geruch von verschiedenen Parfums in die Nase. Heute waren wohl wegen des schlechten Wetters mehr Tische mit Frauen besetzt. Doro konnte er nicht sehen und der Tisch von Fiete war noch leer. Der Duft von abgestandenem Bier war unterlegt mit ein wenig Whiskey – Würze.  Jan setzte sich an einen freien Tisch. Von einem anderen Tisch stand eine Frau auf und kam auf Jan zu: “ Na junger Mann, möchtest du mir einen ausgeben?“

„Nee, nix für ungut, schöne Frau. Aber in meiner Aktentasche sind keine gebündelten Hunderter. Vielleicht, wenn ich mal besser mit Mäusen drauf bin. “ Jan wies auf seine alte Aktentasche die er für den Transport der beiden Pistolen mitgebracht hatte. 

„Was hast du denn in deiner Tasche?“ Jan musste immer damit rechnen, dass in solchen Etablissements auch verdeckte Ermittelnde von der Kripo herumlaufen. Besonders Frauen wurden oft eingesetzt, um Menschenhandel unter den Prostituierten  nachweisen zu können. Daher sagte er: “ Na, ja, es ist ein Geschenk für Doro, sozusagen.“ „Du bist ein Freund von Doro?“

„Auf jeden Fall ein sehr guter Bekannter.“ Ein wenig Klappern gehört zum Handwerk, dachte Jan. Die Dame ließ von ihm ab und wackelte mit ihrem Hintern zu ihrem Tisch zurück.

Der Fiete ließ sich immer noch nicht blicken. Es war schon deutlich nach vier Uhr. Jan überlegte, ob es eine Falle sein könnte. Vielleicht war Fiete selbst verdeckter Ermittler?  Grade überlegte Jan, das Lokal zu verlassen, als er Doro an der Theke sah. Wenigsten Sie war gekommen.  Dann hatte auch Doro ihn gesehen und kam auch prompt zu ihm herüber.

“ Moin, Jan, mein Schatz, wartest du etwa auf den Fiete?“

„Ja, es wird schon ein wenig langweilig. Ich habe auch nur einen Heiermann (5 Euro) mitgekriegt zum verzehren. „

“ Her mit dem Fünfer, ich bring dir was. Du brauchst ja nicht Auto fahren nachher, oder?“ Doro machte ganz auf Geschäftsfrau. Das konnte sie auch richtig gut.  Ehe Jan einwenden konnte, dass er aber noch bei Verstand sein musste, wenn der Fiete endlich ankommen würde, hatte Doro schon den Weg zur Theke eingeschlagen. Nach einer kleinen Weile kam sie mit einem halben Liter Weizenbier und einer Flasche Sekt zurück.

“ So, nun pass auf, mein Junge. Das Bier ist für dich – ist ja klar – und ich mach inzwischen die Flasche Schaumwein auf.  Dann trink ich ein Glas Sekt hier am Tisch mit und vergesse die Flasche beim Weggehen. Das ist für die Umsatzsteuer. „

„Mensch Doro, das kann ich nicht alles bezahlen. “ Jan bekam so etwas wie Panik. Doro konnte das in seinen Augen ablesen.

Doro erklärte gönnerhaft: „Du hast doch deinen halben Liter mit dem Fünfer bezahlt. Die Flasche Sekt gehört mir. Du findest sie geöffnet als herrenlose Sache auf dem Tisch. Wer sich eine herrenlose Sache aneignet erlangt Besitz über sie. Wenn du also das erste mal Bier und Sekt zu Dobbas gemischt hast, bist du Besitzer der Flasche. “ Doro war auch in Rechtssachen nicht ganz unbedarft. Dann fügte sie noch hinzu: „Ich muss mich jetzt um meinen Mann kümmern. Wir haben Argumente ausgetauscht, ich glaube, dabei ist seine Nase gebrochen. Mal schauen, ob es aufgehört hat zu bluten. „

Sie öffnete den Sekt, goss ein Glas ein und rauschte davon. Jan blickte ihr nach. Sie verschwand in einer der Türen an der Querwand, wo auch die Theke ihren Platz hatte. In seinem aktiven Arbeitsleben hatte Jan schon öfter den sogenannten Dobbas getrunken. Wenn er einen Liter Bier und eine dreiviertel Liter Flasche Sekt verzehrt hatte, hatte er immer so ein positives Bewusstsein gehabt. Er war nicht betrunken, aber voller Optimismus gewesen. Nun, dachte er, versuchen wir es einmal, goss etwas Bier in das Sektglas um Platz zu machen für die Mischung in seinem Weißbier.

Von Fiete war immer noch nichts zu sehen. Die Uhr ging auf halb 5 zu und der halbe Liter war halb leer. Trotzdem hatte Jan wieder die von früher bekannte positive Grundstimmung. Er hatte ja jetzt auch kein schlechtes Gewissen, diese Kneipe zu besetzen. Schließlich hatte er ein bezahltes Getränk vor sich stehen. Auch um 17 Uhr hatte er noch nicht die Panik, die er ohne die „Medizin“ sicherlich gehabt hätte. Schließlich tauchte Doro wieder auf.

Ermittelt die Bundesinternetpolizei verdeckt im goldenen Schellfisch?

„Ich hab noch genug zu trinken“, meinte Jan. Doro antwortete aber in sehr bestimmten Ton: „Du kommst jetzt mit deiner Tasche in einer Minute hinter mir her und gehst in genau die Tür, wo ich auch verschwunden bin. Denk dran: Nach mir in einer Minute.“

Mit einem Schlag war Jan stocknüchtern. Die Angst vor allem Unbekannten war wieder da. Warum war Doro so ernst? Hatte sie etwa ihren Mann im Affekt tot geschlagen und Jan sollte bei Beseitigung der Leiche helfen?  Dran glauben müssen… Dieser Passus kam Jan ins Gedächtnis. Er musste jetzt dran glauben, dass Doro nichts Böses mit ihm vorhatte. Sollte er einfach durch die Tür gehen und basta? Sollte er vorher anklopfen und auf Herein warten? Sollte er jetzt lieber abhauen und alles beim Alten lassen? Sollte er jetzt lieber abhauen, alles abblasen und alles beim Alten lassen? Dann erinnerte er sich wieder an die Gerüchte um Fiete. Ein Weglaufen könnte jetzt wahrscheinlich tödlich sein.

Jan nahm einen großen Schluck Sekt pur und marschierte mit seiner Tasche unter dem Arm los. Jeder Schritt auf die ominöse Tür zu brachte neue Gedanken und Bedenken in sein Bewusstsein. Dann aber trat er ohne Anklopfen ein.

Hinter der Tür empfing ihn ein gedämpftes Licht. Eine winzige Glühbirne hing an der Decke und verbreitete eher eine abgemilderte Dunkelheit als eine Beleuchtung. Schemenhaft erkannte er, dass dieser Raum wohl ehemals eine Küche gewesen sein könnte.  Ein riesiger offener Gefrierschrank stand in einer dunklen Ecke. Die Funzel an der Decke schaffte es gerade, so etwas wie einen großen Herd, wohl über 5m lang und mindestens 2m breit, in der Mitte des Raumes aus der Dunkelheit zu schälen. Jans Augen schrien nach Licht und dann hörte er plötzlich aus einer der finstersten Ecken die Stimme von Fiete: „Kumm man her, min Jung! Häst du das Geld?“

„Ja, fünfhundert Euro Mark, kannst nachzählen“,  Jan versuchte auf die Stimme zu zugehen. Unvermittelt schaltete Fiete eine Wandlampe hinter sich an und Jan konnte sicheren Schrittes zu ihm gehen. Er legte die altmodische Aktentasche auf eine Art Tresen, hinter dem Fiete saß.  Dieser zählte 10 Scheine a 50 Euro und nahm die Tasche zu sich unter den Tisch. Sie war jetzt für Jan außer Sichtweite. Fiete bemerkte den fragenden Blick und beruhigte mit den Worten: „Es braucht keiner zu sehen, was ich dir in die Tasche packe. Im anderen Raum läuft nämlich eine verdeckte Ermittlerin herum. Die braucht nichts von unserem Geschäft zu wissen.  Wenn ich die Tasche wieder hoch gebe, darfst du gern reinschauen und die Dinger anfassen, aber nicht ans Licht raus nehmen.“

Ans Licht, dieser Ausdruck schien Jan schon angesichts des Halbdunkels sehr geprahlt. Er hob die Tasche ein wenig an und merkte schon am Gewicht, das etwas Schweres in der darin war. Eröffnete den Bügel und sah hinein. Dort lagen 2 Pistolen mit braunen Griffschalen auf schwarz brüniertem Stahl. Es roch ein wenig nach Ballistol oder anderem Waffenöl.  Er machte die Tasche wieder sorgfältig zu.

Unvermittelt machte Fiete das Licht aus. Aus dem Dunkel hörte Jan ihn sagen: „Neben mir hier ist eine Tür. Da gehst du raus und bist in der Herrentoilette. Kein Mensch beachtet dich, wenn du von da in den Gastraum kommst. Tschüss Jan und viel Glück.“

„Tschüss, Fiete, Danke für den Glückwunsch.“

Wie das wohl weitergeht?

https://blog.topteam-web.de/tipps-und-tricks/4-stremel-planlose-plaene/


Über Putzfrauen und Müllmänner

Es gab eine Zeit, in der Abwasser, Müllmänner und professionelle Putzfrauen unbekannt waren. Dafür waren Pest, Cholera und andere tödliche ansteckende Krankheiten gang und gäbe. Die Burgbewohner verrichteten ihre Notdurft im Burggraben und die Städter in der Gosse. Das war die sogenannte gute, alte Zeit. Die Verhältnisse im antiken Rom blieben fast bis ins 19. Jahrhundert hinein erhalten, und zwar ohne cloaca maxima. Man warf Abfall einfach aus dem Fenster und seinen Müll entsorgte man gerne im Meer oder an Flussufern. Die Folge waren Heerscharen von Ratten und Tauben, am Meer halt Möwen, Tiere, die die Fäkalien-berge vergrößerten. Heute weiß man, dass Rattenflöhe die Pest übertrugen und Bakterien aus den Ausscheidungen der Menschen und Tiere die Cholera begünstigten.

Der feine, aber große Unterschied.
Die Wohlhabenden konnten sich allzeit etwas Besonderes leisten, wie die Anfangs erwähnten Burgbewohner sich eben in den Burggraben erleichterten, so hatten auch die römischen Patrizier Latrinen. Ja es gab gar öffentliche Toiletten, deren Gebühren ja angeblich zu dem Spruch: Pekunia non olet! (Geld stinkt nicht) Anlass gegeben haben sollen.
Auch bei den Wikingern gab es Abfallgräben, zum Teil mit Holz überdeckt, die die flüssigen Abfälle ins Meer leiteten. Immerhin waren eben nicht nur die Römer so „reinlich“. Wer will darf gern unter Wikipedia, wo auch das folgende Bild her stammt, Näheres darüber lesen.

Bauen für Müllmänner
In Hamburg begann also man erst im Jahre 1879 mit dem Bau einer Kanalisation, die dort heute noch Siel heißt. Auch hier lernte man erst nach mehreren verheerenden Cholera Epidemien, Geld für eine notwendige Sache auszugeben.

Unterschied beim Salär.
Wenn es darum geht, für Hygiene, Müllmänner und Putzfrauen Geld auszugeben, ist man immer noch knauserig. Obwohl inzwischen das kleinste Dorf, ja fast jedes Haus über Abwasser und Müllabfuhr verfügen muss, geben einige Leute immer noch lieber Unsummen für duftende Wässerchen, für schicke Hochglanzkarossen oder gar für vergoldete Armaturen im Bad aus und sind dafür gegenüber Putzfrauen und Müllmännern geizig. Lassen Sie sichs gesagt sein: In diesem Fall ist der Geiz nicht geil!

Man fragt sich warum der Beruf von Müllmann und Putzfrau so desolat gering geachtet ist. Sind die Kolleginnen und Kollegen doch ebenso wichtig für unser aller Gesundheit wie die im weißen Kittel posierenden Akademiker. Liegt es daran, dass weder altgriechische noch lateinische Sinnsprüche ihren Sprachgebrauch schmücken? Sind es Geier und Raben, die Gesundheitspolizei der Natur mit denen man sie vergleicht? Vergleichen Sie doch einmal wer denn wohl entbehrlicher in unser Gesellschaft ist: Der Bänker (es gibt auch ehrliche) oder der Müllmann. Wie lange wird man das Fehlen des Vorsitzenden eines Konzerns bemerken und wie lange die tägliche Putzfrau? Ein lateinisches Sprichwort sagt: Natura paucis contenta est. Was soviel heißt wie dass die Natur eben mit Wenigem zufrieden ist, aber ohne die Aasfresser zu Lande, im Wasser und in der Luft ginge es nicht und unter uns Menschen geht es nicht ohne Putzfrauen und Müllmänner. Denken Sie bitte daran, wenn Ihnen wieder mal die eine oder der andere begegnet dass diese Menschen auch für Ihre Gesundheit ihren Beitrag leisten und wenig Dank dafür einheimsen. – Eines ist noch wichtig: Raten Sie einmal, wer denn viel besser bezahlt wird; die Aufsichtsratsvorsitzende, deren Fehlen man erst nach Wochen bemerken würde oder die Putzfrau, deren Abwesenheit schon am gleichen oder am nächsten Tag auffällt. Warum das alles so ist und warum nichts geändert wird, können Sie hier nachlesen allerdings ziemlich am Schluss in dem Beispiel von dem seltsamen Haus. Die Faustregel ist also: Wer den meisten Dreck macht, der verdient am meisten. Wer für unsere Gesellschaft mit am wichtigsten ist, der muss mit einem Hungerlohn zufrieden sein.
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